Zelot
nicht unbedingt zerfallen und sich auflösen muss. Vielmehr kann sie eine fanatische missionarische Tätigkeit entfalten als Reaktion auf ihr Gefühl einer kognitiven Dissonanz, d.h. einem Zustand der Bedrängnis und des Zweifels, die auf die Widerlegung einer zentralen Überzeugung zurückzuführen sind» (S. 39 ). Wie Festinger selbst in seiner darauffolgenden Studie
A Theory of Cognitive Dissonance
(Stanford 1957 ) sagt: «Die Existenz einer Dissonanz erhöht den Druck, diese Unstimmigkeit zu verringern oder zu beseitigen. Der Grad des Drucks, die Dissonanz zu verringern, ist abhängig von dem Ausmaß der Dissonanz» (S. 18 ).
Es ist ziemlich umstritten, was «Hellenisten» hier genau bedeutete. Es könnte bedeuten, dass es sich um zum Christentum konvertierte Heiden handelte, wie Walter Bauer argumentiert in
Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum
(Tübingen 1934 ). H.J. Cadbury stimmt Bauer zu. In seinen Augen waren die Hellenisten heidnische Christen, die möglicherweise aus Galiläa oder anderen heidnischen Regionen kamen und die von dem Mosaischen Gesetz nichts hielten. Siehe Cadbury, «The Hellenists», in: K. Lake und H.J. Cadbury (Hg.),
The Beginnings of Christianity,
Bd. 1 (London 1933 ), S. 59 – 74 . Allerdings bezieht sich der Begriff «Hellenisten» aller Wahrscheinlichkeit nach auf Juden aus der Diaspora, die Griechisch sprachen, wie Martin Hengel überzeugend darlegt in «Die Ursprünge der christlichen Mission», in:
New Testament Studies
18 ( 1971 / 72 ), S. 15 – 38 . Marcel Simon stimmt mit Hengel überein, ist allerdings (im Gegensatz zu Hengel) überzeugt, dass das Wort unter den Juden in Judäa wegen der griechischen (also heidnischen) Herkunft einen negativen Beiklang hatte. Simon weist darauf hin, dass Hellenismus in der Liste der Häresien des Justinus, des Märtyrers genannt wird, in
Dialogus cum Tryphone
( 80 , 4 ). Siehe
St. Stephen and the Hellenists in the Primitive Church
(New York 1958 ).
Dass die Sieben Führer einer unabhängigen Gemeinschaft in der frühen christlichen Kirche waren, wird durch den Umstand belegt, dass sie in der Darstellung aktiv predigen, heilen und Zeichen und Wunder tun. Sie sind keine Bediensteten, deren Hauptaufgabe das Ausgeben der Speisen war, wie Lukas in der Apostelgeschichte andeutet ( 6 , 1 – 6 ).
Hengel führt aus, dass der Aramäisch sprechende Teil der Gemeinschaft von der Verfolgung der Hellenisten kaum betroffen war, und stellt fest, dass sich die Hebräer, weil sie mindestens bis zum Ausbruch des Krieges 66 n. Chr. in Jerusalem blieben, irgendwie mit den priesterlichen Behörden geeinigt haben müssen, denn «im jüdischen Palästina konnte sich auf die Dauer nur eine streng gesetzestreue Gemeinde halten». Hengel, «Die Ursprünge der christlichen Mission», S. 26 .
Ferner spricht auch der Umstand, dass zu den ersten Handlungen der Apostel nach Jesu Tod die Ablösung des Judas Iskariot durch Matthias zählte (Apg 1 , 2126 ), dafür, die Bewegung der Jesus-Anhänger in den ersten Jahren nach der Kreuzigung als eine ausschließlich jüdische Mission zu betrachten. Das könnte darauf schließen lassen, dass die Vorstellung, die Stämme Israels würden dereinst wiederhergestellt werden, in den Jahren unmittelbar nach der Kreuzigung noch weiterlebte. Tatsächlich lautete eine der ersten Fragen, welche die Jünger dem auferstandenen Jesus stellten: «Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?» Anders gesagt: Wirst du nunmehr die messianische Aufgabe wahrnehmen, die du zu deinen Lebzeiten nicht ausgeübt hast? Jesus wischt die Frage jedoch beiseite: «Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht [solche Dinge zu tun] festgesetzt hat.» (Apg 1 , 6 f.)
Kapitel vierzehn: Bin ich nicht ein Apostel?
Von den Briefen im Neuen Testament, die Paulus zugeschrieben werden, lassen sich nur sieben mit Sicherheit auf ihn zurückführen: 1 . Thessalonicher, Galater, 1 . und 2 . Korinther, Römer, Philipper und Philemon. Zu den Briefen, die zwar Paulus zugeschrieben werden, aber vermutlich nicht von ihm geschrieben wurden, zählen Kolosser, Epheser, 2 . Thessalonicher, 1 . und 2 . Timotheus und Titus.
Das genaue Datum von Paulus’ Bekehrung ist umstritten. Der Streit dreht sich vor allem um Paulus’ Äußerung in Galater 2 , 1 , dass er «vierzehn Jahre später» zum Apostelkonzil in Jerusalem gegangen sei. Wenn man davon ausgeht, dass diese
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