Zelot
Zusammenkunft um das Jahr 50 n. Chr. stattfand, würde das bedeuten, dass Paulus im Jahr 36 oder 37 n. Chr. bekehrt wurde. Für dieses Datum plädiert James Tabor,
Paul and Jesus
(New York 2012 ). Manche Wissenschaftler sind jedoch der Auffassung, dass Paulus mit der Wendung «vierzehn Jahre später» 14 Jahre nach seinem ersten Auftritt vor den Aposteln meint, der nach eigener Aussage drei Jahre nach der Bekehrung erfolgte. Damit würde das Datum der Bekehrung in die Nähe des Jahres 33 rücken – das Datum, das Martin Hengel favorisiert in «Christologie und neutestamentliche Chronologie», in:
Geschichte und Urchristentum. Festschrift O. Cullmann zum 70 . Geburtstag
(Zürich, Tübingen 1972 ), S. 43 f. Adolf Harnack errechnet in
The Mission and Expansion of Christianity in the First Three Centuries
(New York 1972 ), dass Paulus 18 Monate nach Jesu Tod bekehrt wurde, aber meiner Meinung nach ist das viel zu früh. Ich stimme mit Tabor und anderen überein, dass die Bekehrung des Paulus aller Wahrscheinlichkeit im Jahr 36 oder 37 stattfand, 14 Jahre vor dem Apostelkonzil.
Dass sich die Zeilen von Paulus im Brief an die Galater zu den «Säulen» der Kirche unmittelbar auf die in Jerusalem wohnenden Apostel und nicht auf namenlose jüdische Christen beziehen, mit denen er uneins war, wird überzeugend von Gerd Lüdemann bewiesen in seinen unverzichtbaren Monographien
Paulus. Der Gründer des Christentums
(Lüneburg 2001 ), vor allem die Seiten 69 und 120 ; sowie
Paulus der Heidenapostel. Bd. 2: Antipaulinismus im frühen Christentum
(Göttingen 1983 ). Siehe auch Tabor,
Paul and Jesus,
S. 19 ; und J.D. G. Dunn, «Echoes of the Intra-Jewish Polemic in Paul’s Letter to the Galatians», in:
Journal of Biblical Literature
112 / 3 ( 1993 ), S. 459 – 477 .
Der Anteil des Paulus an der Gründung der Religion, die wir heute als Christentum bezeichnen, ist unlängst heftig umstritten gewesen. Eine Reihe heutiger Gelehrter verteidigt Paulus und präsentiert ihn als frommen Juden, der seinem jüdischen Erbe und den Geboten und Bräuchen des Mose treu geblieben war. Allerdings betrachtete er es zufällig als seine Mission, das messianische Judentum einem heidnischen Publikum zu predigen. Die traditionelle Einschätzung des Paulus fasst wohl am besten Rudolf Bultmann in
Glauben und Verstehen
(Tübingen 1933 ) zusammen, der Paulus’ Lehre von Christus bekanntlich als «im Grunde eine ganz neue Religion gegenüber dem palästinensischen Urchristentum» bezeichnete. Zu den Gelehrten, die mehr oder weniger Bultmanns These vertreten, zählen Adolf Harnack,
Das Wesen des Christentums
(Leipzig 1902 ); H.J. Schoeps,
Die Theologie des Apostels im Lichte der jüdischen Religionsgeschichte
(Tübingen 1959 ); und Gerd Lüdemann,
Paulus. Der Gründer des Christentums
. Zu den jüngeren Wissenschaftlern, die Paulus als einen loyalen Juden betrachten, der lediglich versucht habe, das Judentum einem heidnischen Publikum nahezubringen, zählen L. Michael White,
From Jesus to Christianity,
und meine ehemalige Professorin Marie-Eloise Rosenblatt,
Paul the Accused
(Collegeville 1995 ).
Letztlich haben beide Ansichten ein Stück weit recht. Diejenigen, die Paulus für den Gründer des Christentums, wie wir es kennen, halten oder überzeugt sind, dass er den neuen Glauben vom Judentum loslöste, vernachlässigen häufig allzu sehr den Eklektizismus des Judentums in der Diaspora oder den Einfluss der griechischsprachigen Hellenisten, von denen Paulus, der ja selbst Hellenist war, vermutlich zum ersten Mal von Jesus von Nazaret hörte. Allerdings sollte eines klargestellt werden: Die Hellenisten mögen das Mosaische Gesetz in ihren Lehren abgeschwächt haben, aber sie dämonisierten es keineswegs; sie haben möglicherweise auf die Beschneidung als eine Voraussetzung zur Konversion verzichtet, aber sie haben sie keineswegs auf Hunde und Missetäter beschränkt oder gar empfohlen, ihre Fürsprecher zu entmannen, wie Paulus es getan hat (Gal 5 , 12 ). Unabhängig davon, ob Paulus seine ungewöhnliche Lehre von den Hellenisten übernommen oder selbst erfunden hat, können jedoch selbst seine überzeugtesten Verteidiger nicht bestreiten, wie sehr seine Anschauungen selbst von den experimentierfreudigsten jüdischen Bewegungen seiner Zeit abwichen.
Es liegt auf der Hand, dass Paulus sich selbst meint, wenn er auf den «Spross aus der Wurzel Isais» (Jes 11 , 10 ) verweist, der zum «Licht der Heiden» (Jes 49 , 1 – 6
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