Zelot
aufbaute. Die beiden Männer arbeiteten Hand in Hand. Die Zeit ihrer gemeinsamen Herrschaft zwischen 18 n. Chr. und 36 n. Chr. war die stabilste Phase im ganzen 1 . Jahrhundert. Gemeinsam schafften sie es, den revolutionären Impuls der Juden unter dem Deckel zu halten, indem sie gnadenlos jede noch so kleine politische Unruhe im Keim erstickten.
Trotz aller Bemühungen gelang es Pilatus und Kajaphas jedoch nicht, den Eifer auszulöschen, der durch die messianischen Aufstände der Jahrhundertwende in den Herzen der Juden entzündet worden war – jene Aufstände des Bandenführers Hiskia, des Simon von Peräa, des Hirtenjungen Athronges und des Galiläers Judas. Nicht lange nach Pilatus’ Ankunft in Jerusalem begann eine neue Schar von Predigern, Propheten, Banditen und Messiassen durch das Heilige Land zu ziehen. Sie alle sammelten Jünger, predigten die Befreiung von Rom und versprachen das Kommen des Gottesreiches. Im Jahr 28 n. Chr. begann ein asketischer Prediger namens Johannes, die Menschen im Wasser des Jordan zu taufen und sie durch diesen Akt in die, wie er glaubte, wahre Nation Israel aufzunehmen. Als die Popularität Johannes’ des Täufers nicht mehr einzudämmen war, ließ Herodes Antipas, Pilatus’ Tetrarch in Peräa, ihn ins Gefängnis werfen und irgendwann um 30 n. Chr. herum hinrichten. Ein paar Jahre später führte ein Zimmermann aus Nazaret namens Jesus eine Schar Jünger in einer triumphalen Prozession nach Jerusalem hinein, wo er in den Tempel stürmte, die Tische der Geldwechsler umwarf und die Opfertiere aus ihren Käfigen befreite. Auch er wurde festgesetzt und von Pilatus zum Tode verurteilt. Wieder drei Jahre später, 36 n. Chr., sammelte ein Messias, der nur als «der Samariter» bekannt war, eine Gruppe Anhänger auf dem Berg Garizim, wo er «heilige Gefäße» offenbaren wollte, die Mose angeblich dort versteckt hatte. Pilatus reagierte mit einer Abteilung römischer Soldaten, die den Garizim bestiegen und die Anhängerschaft des Samariters in Stücke hauten.
Jener letzte Akt ungezügelter Brutalität auf dem Garizim läutete das Ende von Pilatus’ Statthalterschaft in Jerusalem ein. Er wurde nach Rom gerufen, um seine Taten vor Kaiser Tiberius zu verantworten, und kehrte nie nach Judäa zurück, sondern wurde noch 36 n. Chr. ins Exil nach Gallien geschickt. In Anbetracht ihrer engen Arbeitsbeziehung war es vielleicht kein Zufall, dass Josef Kajaphas im selben Jahr seine Position als Hohepriester räumen musste.
Ohne Pilatus und Kajaphas ließen sich die revolutionären Leidenschaften der Juden nicht mehr unterdrücken. Mitte des Jahrhunderts spürte man die messianische Energie in ganz Palästina. Im Jahr 44 n. Chr. krönte sich ein Wunder wirkender Prophet namens Theudas selbst zum Messias und führte Hunderte Anhänger zum Jordan, wo er den Fluss teilen wollte, genau wie es Mose 1000 Jahre zuvor mit dem Roten Meer getan hatte. Dies, so verkündete er, sollte der erste Schritt sein, um das Gelobte Land von Rom zurückzuerobern. Die Römer schickten daraufhin ein Heer, das Theudas köpfte und seine Anhänger in die Wüste jagte. Zwei Jahre später starteten zwei Söhne von Judas dem Galiläer, Jakob und Simon, ihre eigene revolutionäre Bewegung in der Nachfolge ihres Vaters und Großvaters; beide wurden ans Kreuz geschlagen.
Um diese messianischen Regungen im Zaum zu halten, hätte Rom eine ruhige, sensible Hand gebraucht, jemanden, der auf das Murren der Juden reagierte und doch Frieden und Ordnung in Judäa und Galiläa hielt. Stattdessen schickte man eine ganze Reihe unfähiger Statthalter nach Jerusalem – einer übler und habgieriger als der andere –, deren Korruption und Unfähigkeit die Wut, die Verbitterung und den apokalyptischen Wahn, die sich überall in Palästina allmählich angestaut hatten, in eine offene Revolution umschlagen ließen.
Es begann mit Ventidius Cumanus, der 48 n. Chr. in Jerusalem stationiert wurde, zwei Jahre, nachdem der Aufstand der Judas-Söhne niedergeschlagen worden war. Cumanus war kaum mehr als ein Dieb und ein Idiot. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, römische Soldaten auf den Dächern der Tempelportiken zu postieren, angeblich zum Schutz vor Chaos und Durcheinander während des Paschafestes. Mitten in der heiligen Zeremonie kam einer dieser Soldaten auf die «witzige» Idee, seine Tunika hochzuziehen und der Versammlung unten im Hof seinen blanken Hintern zu zeigen. Dabei rief er die ganze
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