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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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    Nicht lange nachdem er den Kampf gegen den Zensus angeführt hatte, wurde Judas der Galiläer von den Römern gefangen gesetzt und getötet. Als Vergeltung dafür, dass die Stadt ihre Waffen in die Hände von Judas’ Anhängern gegeben hatte, marschierten die Römer in Sepphoris ein und brannten es bis auf die Grundmauern nieder. Die Männer wurden umgebracht, die Frauen und Kinder in die Sklaverei verkauft. Mehr als 2000  Rebellen und Sympathisanten wurden gekreuzigt. Kurz darauf reiste Herodes Antipas an und machte sich daran, die eingeebneten Trümmer von Sepphoris in eine extravagante, als Königssitz geeignete Stadt zu verwandeln.
    Jesus von Nazaret kam wahrscheinlich in eben jenem Jahr zur Welt, als Judas der Galiläer – der gescheiterte Messias Judas, Sohn des gescheiterten Messias Hiskia – brennend vor Eifer durchs Land zog. Er war etwa zehn Jahre alt, als die Römer Judas gefangen nahmen, seine Anhänger kreuzigten und Sepphoris zerstörten. Als Antipas ernsthaft daran ging, Sepphoris wieder aufzubauen, war Jesus ein junger Mann, der im Beruf seines Vaters arbeiten konnte. Damals strömten praktisch alle Handwerker und Tagelöhner in der Provinz nach Sepphoris, um beim größten Wiederaufbauprojekt der Zeit unterzukommen, und man kann ziemlich sicher sein, dass Jesus und seine Brüder, die nicht weit weg in Nazaret lebten, auch darunter waren. Man kann sogar annehmen, dass Jesus vom Beginn seiner Lehrzeit als
tekton
bis zu dem Tag, an dem er sein Wirken als Wanderprediger begann, den größten Teil seiner Zeit nicht in dem winzigen Weiler Nazaret, sondern in der kosmopolitischen Hauptstadt Sepphoris verbrachte: ein Bauernjunge in der großen Stadt.
    Sechs Tage die Woche schuftete Jesus von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in der Königsstadt und baute tagsüber palastähnliche Häuser für die jüdische Aristokratie. Abends kehrte er dann in seine einfache Hütte aus Lehmziegeln zurück. Mit eigenen Augen sah er die schnell wachsende Kluft zwischen den aberwitzig Reichen und den tief verschuldeten Armen. Er mischte sich unter die hellenisierte und romanisierte Bevölkerung der Stadt, jene reichen, fehlgeleiteten Juden, die den Kaiser von Rom ebenso ausdauernd rühmten wie den Herrn des Universums. Sicher war er mit den Heldentaten Judas des Galiläers vertraut, denn die Bevölkerung von Sepphoris war zwar nach Judas’ Rebellion offenbar gezähmt und kooperierte vorbildlich mit Rom – so gut, dass die Stadt im Jahr 66  n. Chr., als der größte Teil Galiläas sich der Revolte gegen Rom anschloss, sofort ihre Treue zum Kaiser erklärte und während der Schlacht um Jerusalem eine römische Garnison beherbergte –, doch die Erinnerung an Judas den Galiläer und seine Taten verblasste auch in Sepphoris nicht: nicht bei den Arbeitssklaven und Enteigneten; nicht bei jenen, die wie Jesus ihre Tage damit verbrachten, Ziegel zu schleppen, um noch ein weiteres Prachthaus für noch einen weiteren jüdischen Adligen zu bauen. Ganz sicher wusste Jesus von den Eskapaden des Herodes Antipas – «diesem Fuchs», wie Jesus ihn nennt (Lk  1 3, 3 2) – der bis etwa 20  n. Chr. in Sepphoris lebte. Dann zog er nach Tiberias am Ufer des Sees Gennesaret. Vielleicht bekam Jesus den Mann, der eines Tages seinem Freund und Mentor Johannes dem Täufer den Kopf abschneiden und dasselbe bei ihm versuchen sollte, sogar ziemlich regelmäßig zu sehen.

Kapitel fünf
Wo ist die Flotte, mit der ihr die römischen Meere erobert?
    Pontius Pilatus kam im Jahr 26  n. Chr. nach Jerusalem. Er war der fünfte Präfekt, den Rom geschickt hatte, um die Besatzungsmacht in Judäa zu vertreten. Nach dem Tod Herodes’ des Großen und der Absetzung seines Sohnes Archelaos als Ethnarch hatte Rom beschlossen, dass es wohl das Beste sei, die Provinz direkt zu regieren, nicht mehr durch einen weiteren jüdischen Klientelkönig.
    Die Pontii waren Samniten aus der Bergregion Samnium südlich von Rom, einem harten Land aus Stein und Blut und brutalen Männern, das im 3 . Jh. v. Chr. besiegt und unter das römische Joch gezwungen worden war. Der Nachname Pilatus bedeutete «geübt im Umgang mit dem Wurfspieß», vielleicht ein Tribut an Pilatus’ Vater, dessen Ruhm als römischer Soldat unter Julius Cäsar es den Pontii erlaubt hatte, von ihrer niederen Herkunft in den römischen Ritterstand aufzusteigen. Pilatus leistete den Militärdienst für das Reich ab, den man von allen römischen Rittern

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