Zelot
Zeit Ausdrücke, die der auf Anstand bedachte Josephus als «Worte, wie man sie bei einer solchen Pose wohl erwarten mag» umschreibt.
Die Menschenmenge tobte vor Wut. Auf dem Tempelplatz brach ein Tumult los. Statt die Situation zu beruhigen, schickte Cumanus eine Kohorte römischer Soldaten auf den Tempelberg, um die in Panik geratene Menschenmenge niederzumetzeln. Die Pilger, die dem Blutbad entkamen, waren in den engen Ausgängen, die aus dem Tempelhof hinausführten, gefangen. Hunderte wurden niedergetrampelt. Die Spannungen eskalierten weiter, als einer von Cumanus’ Legionären sich eine Torarolle griff und sie vor einer jüdischen Versammlung in Stücke riss. Cumanus ließ den Soldaten zwar eilig hinrichten, aber das reichte nicht, um die wachsende Wut und Verbitterung der Juden zu besänftigen.
Die Lage spitzte sich zu, als eine Gruppe jüdischer Reisender aus Galiläa auf dem Weg nach Jerusalem in Samarien angegriffen wurde. Als Cumanus die Klage der Juden abwies, angeblich, weil die Samariter ihn bestochen hatten, nahm eine Schar Banditen unter Eleasar, dem Sohn des Dinaios, das Gesetz in die eigenen Hände. Sie wüteten in Samarien und töteten alle Samariter, die ihnen in die Hände fielen. Das war mehr als ein blutiger Racheakt; es war die Freiheitserklärung eines Volkes, das genug davon hatte, dass Recht und Ordnung in den Händen eines betrügerischen und launischen Verwalters aus Rom lagen. Der Gewaltausbruch zwischen Juden und Samaritern brachte das Fass in den Augen des Kaisers zum Überlaufen. Im Jahr 52 n. Chr. wurde Ventidius Cumanus ins Exil geschickt, und Antonius Felix reiste an seiner Stelle nach Jerusalem.
Als Statthalter war Felix nicht besser als sein Vorgänger. Wie Cumanus begegnete er den Juden mit tiefster Verachtung. Er nutzte die Macht des Geldes, um die verschiedenen jüdischen Gruppierungen in Jerusalem zu seinem Nutzen gegeneinander auszuspielen. Offenbar pflegte er zunächst eine enge Freundschaft mit dem Hohepriester Jonatan, einem der fünf Söhne des Hannas, die dieses Amt ausfüllten. Felix und Jonatan arbeiteten zusammen im Kampf gegen die Räuberbanden, die Judäa durchstreiften; Jonatan war vielleicht sogar beteiligt, als Felix Eleasar gefangen nahm. Er wurde nach Rom gebracht und gekreuzigt. Doch sobald der Hohepriester seine Schuldigkeit getan hatte, ließ Felix ihn fallen. Es heißt, Felix habe bei den folgenden Ereignissen seine Hand im Spiel gehabt, denn unter seiner Statthalterschaft bildete sich ein neues Banditentum in Jerusalem: eine schattenhafte Gruppe jüdischer Rebellen, die die Römer
Sicarii
oder «Dolchträger» nannten, weil sie gern mit kleinen, leicht zu verbergenden Dolchen, den
sicae
, arbeiteten, wenn sie die Feinde Gottes auslöschten.
Die Sikarier waren von einer apokalyptischen Weltsicht und einer glühenden Hingabe an die Errichtung der Gottesherrschaft auf Erden angetriebene Zeloten. Natürlich waren sie fanatische Gegner der römischen Besatzung, wobei sie sich ihre Rachegelüste vor allem für die Juden der reichen Priesteraristokratie aufsparten, die mit den Römern gemeinsame Sache machten. Die Sikarier waren furchtlos und nicht zu stoppen, sie ermordeten ihre Gegner ungestraft am helllichten Tag mitten in der Stadt inmitten großer Menschenmengen an Festtagen und Feiern. Sie mischten sich unter Versammlungen und Zuschauermengen, die Dolche in den Mänteln verborgen, bis sie nahe genug waren, um zuzustoßen. Während der Tote dann blutüberströmt zu Boden sank, ließen die Sikarier ihre Dolche wieder in den Scheiden verschwinden und schlossen sich den empörten Rufen der panischen Menge an.
Der Anführer der Sikarier war damals ein junger jüdischer Revolutionär namens Manaim, der Enkel von niemand anderem als dem gescheiterten Messias Judas dem Galiläer. Manaim teilte den Hass seines Großvaters auf die reiche Priesteraristokratie im Allgemeinen und die salbungsvollen Hohepriester im Besonderen. In den Augen der Sikarier war Jonatan, der Sohn des Hannas, ein Blender: ein Dieb und Betrüger, der sich am Leiden seines Volkes bereicherte. Er hatte die Leibeigenschaft der Juden ebenso zu verantworten wie der heidnische Kaiser in Rom. Seine Anwesenheit auf dem Tempelberg entehrte die ganze Nation. Seine bloße Existenz war dem Herrn ein Gräuel. Er musste sterben.
Im Jahr 56 n. Chr. gelang den Sikariern unter Manaims Führung schließlich, wovon Judas der Galiläer nur hatte träumen können. Während des Paschafestes drängte
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