Zelot
monastische Bewegung im eigentlichen Sinn. Manche lebten in Städten und Dörfern überall in Judäa, andere isolierten sich völlig vom Rest der Juden und zogen sich in Kommunen wie die von Qumran zurück, wo sie zölibatär lebten und allen Besitz vergemeinschafteten (die einzigen persönlichen Besitztümer, die ein Essener in Qumran behalten durfte, waren ein Mantel, ein Leintuch und ein Beil, um ein Latrinenloch in der Wüste zu graben, wenn sich die Notwendigkeit ergab). Weil die Essener den Leib als schlecht und verdorben betrachteten, entwickelten sie ein strenges System von Tauchbädern, das immer wieder durchlaufen werden musste, um einen stabilen Zustand ritueller Reinheit zu bewahren. Zudem praktizierten sie ein einmaliges, einführendes Wasserritual – eine Art Taufe –, mit dem sie Neuankömmlinge in ihrer Gemeinschaft willkommen hießen.
Dies könnte der Ursprung des ungewöhnlichen Taufritus gewesen sein, den Johannes vollzog. Vielleicht war Johannes sogar selbst ein Essener, denn es gibt da einige verblüffende Parallelen. Johannes wie auch die Gemeinschaft der Essener waren zu etwa derselben Zeit in der judäischen Wüste aktiv: Johannes wird als jemand dargestellt, der schon in jungen Jahren in die Wüste Juda hinausging, was mit der essenischen Praxis übereinstimmen würde, Priestersöhne zu adoptieren und auszubilden. Sowohl Johannes als auch die Essener lehnten die Tempelleitung ab: Die Essener hatten einen eigenen Kalender und eigene Ernährungsvorschriften und lehnten das Konzept des Tieropfers, der wichtigsten rituellen Aktivität im Tempel, ab. Beide sahen sich und ihre Anhänger als den wahren Stamm Israel, und beide bereiteten sich aktiv auf die Endzeit vor: Die Essener erwarteten sehnlich einen apokalyptischen Krieg, in dem die «Söhne des Lichts» (die Essener) den «Söhnen der Finsternis» (den Tempelpriestern) die Kontrolle über den Tempel von Jerusalem entreißen, ihn reinigen und unter ihrer Führung wieder heiligen würden. Und Johannes sah sich offenbar wie die Essener als «Stimme in der Wüste», von der der Prophet Jesaja gesprochen hatte: «Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!» (Mt 3 , 3 ; Mk 1 , 3 ; Lk 3 , 4 ; Joh 1 , 19 nach Jes 40 , 3 ) Alle vier Evangelien schreiben diesen Vers Johannes dem Täufer zu; für die Essener war es der wichtigste Abschnitt der Hebräischen Schriften, der ihr Verständnis ihrer selbst und ihrer Gemeinschaft beschrieb.
Und doch finden sich auch genügend Unterschiede zwischen Johannes und den Essenern, die uns warnen sollten, eine allzu feste Beziehung zwischen beiden zu vermuten. Johannes wird nicht als Angehöriger einer Gemeinschaft dargestellt, sondern als Einzelgänger, als einsame Stimme in der Wüste. Seine Botschaft ist ganz sicher nicht ausschließend, sondern richtet sich an alle Juden, die bereit sind, ihren üblen Lebenswandel aufzugeben und ein gerechtes Leben zu führen. Und vor allem ist Johannes ganz offenbar nicht von der Idee einer rituellen Reinheit besessen; seine Taufe war, wie es scheint, als ein einmaliger Ritus konzipiert, nicht als etwas, das ständig wiederholt werden musste. Johannes war also vielleicht von den Wasserritualen anderer jüdischer Sekten seiner Zeit beeinflusst, auch von den Essenern, aber allem Anschein nach entsprang die Taufe im Jordan, die er anbot, einzig und allein seiner eigenen Inspiration.
Wofür stand dann also Johannes’ Taufe? Das Markus-Evangelium stellt die erstaunliche Behauptung auf, Johannes habe am Jordan eine «Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden» angeboten (Mk 1 , 4 ). Der eindeutig christliche Charakter dieses Ausdrucks lässt ernste Zweifel an seiner Historizität aufkommen. Er klingt eher wie eine christliche Projektion auf das Wirken des Täufers, nicht wie etwas, das der Täufer selbst über sich gesagt hätte – wobei es allerdings auch seltsam wäre, wenn die frühe Kirche über Johannes sagen würde, dass er die Macht hatte, Sünden zu vergeben, noch bevor er Jesus überhaupt kannte.
Josephus erklärt ausdrücklich, dass es bei Johannes’ Taufe «nicht um den Erlass der Sünden, sondern um die Reinigung des Körpers» ging. Damit wäre sie eher ein Initiationsritus, ein Weg zum Eintritt in seinen Orden oder seine Sekte – eine These, die durch die Apostelgeschichte erhärtet wird, in der eine Gruppe Korinther stolz behauptet, sie seien «auf die Taufe des Johannes» getauft (Apg 19 , 1 – 3 ).
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