Zelot
die Worte seines Meisters und taufte andere an seiner Seite, bis Antipas, von Johannes’ Macht und Popularität eingeschüchtert, ihn festnehmen und in ein Verlies werfen ließ. Erst dann kehrte Jesus von Judäa zu seiner Familie zurück.
Und erst dort in Galiläa, unter seinen Leuten, übernahm Jesus ganz Johannes’ Aufgabe und begann über das Reich Gottes und das bevorstehende Gericht zu predigen. Doch er ahmte Johannes nicht einfach nach. Jesu Botschaft war weit revolutionärer, sein Konzept des Gottesreiches sehr viel radikaler und sein Identitäts- und Sendungsbewusstsein viel gefährlicher als alles, was Johannes der Täufer sich hätte ausdenken können. Johannes hatte mit Wasser getauft. Jesus aber taufte mit dem Heiligen Geist. Mit dem Heiligen Geist – und mit Feuer.
Kapitel acht
Folgt mir nach
Das Galiläa, in das Jesus nach seinem kurzen Aufenthalt bei Johannes dem Täufer zurückkehrte, war nicht das Galiläa, in dem er geboren worden war. Das Galiläa der Kindheit Jesu hatte inzwischen ein schweres psychisches Trauma erlebt, es hatte die ganze Wucht der römischen Vergeltung für die Revolten gespürt, die überall im Land nach dem Tod Herodes’ des Großen 4 v. Chr. ausgebrochen waren.
Die römische Reaktion auf Rebellion, egal, wo im Reich sie ausbrach, war voraussagbar immer gleich: Brennt die Dörfer nieder, macht die Städte dem Erdboden gleich, versklavt die Bevölkerung. Etwa diesen Befehl gab auch Kaiser Augustus den Legionen, die er nach Herodes’ Tod aussandte, um den widerspenstigen Juden eine Lektion zu erteilen. Die Römer erstickten die Aufstände in Judäa und Peräa leicht. Besondere Aufmerksamkeit aber galt Galiläa, dem Zentrum der Revolte. Tausende starben, als das Land in Flammen aufging. Die Vernichtung erreichte jede Stadt, jedes Dorf, nur einige wenige blieben verschont. Die Dörfer Emmaus und Sampho wurden verwüstet. Sepphoris, das Judas dem Galiläer erlaubt hatte, in die Waffenkammer der Stadt einzudringen, wurde dem Erdboden gleich gemacht. Ganz Galiläa versank in Feuer und Blut. Selbst das winzige Nazaret entkam dem Zorn Roms wohl kaum.
Die Römer konzentrierten sich wahrscheinlich zu Recht so brutal auf Galiläa. Die Region war schon jahrhundertelang ein Treibhaus revolutionären Aufruhrs gewesen. Lange vor dem Einmarsch der Römer war der Begriff «Galiläer» zum Synonym für «Rebell» geworden. Josephus beschreibt das Volk von Galiläa als «seit frühester Kindheit an den Krieg gewöhnt», und Galiläa selbst, das von einer zerklüfteten Topographie und einem bergigen Terrain profitierte, «wehrte sich», wie er schreibt, «immer gegen feindliches Eindringen».
Dabei war es egal, ob diese Eindringlinge nun Heiden oder Juden waren – die Galiläer unterwarfen sich keiner Fremdherrschaft. Nicht einmal König Salomo konnte Galiläa zähmen; die Region und ihr Volk wehrten sich erbittert gegen die hohen Steuern und die Zwangsarbeit, die er ihnen auferlegte, um den Bau des ersten Tempels in Jerusalem abzuschließen. Auch die Hasmonäer – die Priesterkönige, die das Land von 140 v. Chr. bis zum Einmarsch der Römer 63 v. Chr. regierten – unterwarfen die Galiläer nie ganz dem Tempelstaat, den sie in Judäa errichtet hatten. Und schließlich war Galiläa auch ein ständiger Stachel im Fleisch von König Herodes, der sich erst König der Juden nennen durfte, nachdem er gezeigt hatte, dass er mit den Banditen in der aufrührerischen Region fertig wurde.
Die Galiläer betrachteten sich offenbar als ein völlig vom Rest der Juden in Palästina unterschiedenes Volk. Josephus nennt die Menschen von Galiläa ausdrücklich ein eigenes
ethnos,
eine Nation für sich; in der Mischna, der ersten schriftlichen Zusammenfassung rabbinischen Denkens, wird behauptet, die Galiläer hätten andere Regeln und Bräuche als die Judäer, wenn es um Dinge wie Ehe oder Gewichte und Maße ging. Sie waren ein Hirtenvolk, leicht erkennbar an ihren provinziellen Gebräuchen und ihrer eindeutig bäuerlichen Ausdrucksweise (es war sein galiläischer Dialekt, der Simon Petrus nach dessen Verhaftung als Anhänger Jesu auswies: «Wirklich, auch du gehörst zu ihnen, deine Mundart verrät dich», Mt 26 , 73 ). Die städtische Elite in Judäa nannte die Galiläer spöttisch «die Leute vom Land», ein Ausdruck, der auf ihre Abhängigkeit von der Subsistenzwirtschaft anspielte. Aber er hatte auch einen noch negativeren Beigeschmack, er bezeichnete die Ungebildeten und
Weitere Kostenlose Bücher