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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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Verb
apodidomi,
oft einfach als «geben» übersetzt, ist eigentlich ein zusammengesetztes Wort:
apo
ist eine Präposition, die in diesem Fall «wieder zurück» bedeutet;
didomi
ist ein Verb mit der Bedeutung «geben».
Apodidomi
wird insbesondere dann verwendet, wenn man jemandem Eigentum zurückzahlt, auf das er ein Anrecht hat; das Wort impliziert, dass die Person, die die Zahlung erhält, der rechtmäßige Eigentümer der Sache ist, die bezahlt wird. Mit anderen Worten ist der Kaiser nach Jesu Meinung berechtigt, den Denar «wieder zurückgegeben» zu bekommen, nicht, weil er den Tribut verdient hätte, sondern weil es
seine
Münze ist: Sein Name und Bild sind darauf geprägt. Gott hat damit nichts zu tun. Wenn man das weiterdenkt, hat Gott ein Anrecht darauf, das Land «wieder zurückgegeben» zu bekommen, das die Römer sich genommen haben, weil es
Gottes
Land ist: «Das Land gehört mir», spricht der Herr ( 3  Mos  25 , 23 ). Der Kaiser hat damit nichts zu tun.
    Also, gebt dem Kaiser zurück, was dem Kaiser gehört, und gebt Gott zurück, was Gott gehört. Das ist die zelotische Position in ihrer schlichtesten, knappsten Form. Und in den Augen der Machthaber in Jerusalem ist es offenbar genug, um Jesus sofort als
lestes
abzustempeln. Ein Bandit. Ein Zelot.
    Ein paar Tage später brechen Jesus und seine Jünger nach einem geheimen gemeinsamen Paschamahl in tiefster Nacht nach Getsemani auf, um sich dort zwischen den knorrigen Olivenbäumen und den Hecken zu verstecken. Und dort, am Westhang des Ölbergs, nicht weit von der Stelle, von der aus der römische General Titus einige Jahre später seine Belagerung Jerusalems beginnen sollte, finden ihn die Soldaten schließlich.
    «Wie gegen einen Räuber
[lestes]
seid ihr mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen, um mich festzunehmen», sagt Jesus.
    Und genau das hatten sie vor. Im Johannes-Evangelium ist es eine Kohorte Soldaten (
speira,
in der Einheitsübersetzung, EÜ , der Bibel einfach nur Soldaten), die nach Getsemani marschiert – also zwischen 300 und 600 römische Wachen –, zusammen mit der Tempelpolizei, und sie alle tragen «Fackeln, Laternen und Waffen» (Joh  18 , 3 ). Johannes übertreibt ganz offensichtlich. Doch alle Evangelien sind sich darin einig, dass es ein großer und schwer bewaffneter Trupp war, der da nachts kam, um Jesus festzunehmen. Eine solche Machtdemonstration erklärt vielleicht auch, warum Jesus dafür sorgte, dass auch seine Anhänger bewaffnet waren, bevor sie nach Getsemani aufbrachen.
    «Wer aber kein Geld hat, soll seinen Mantel verkaufen und sich dafür ein Schwert kaufen», befiehlt Jesus seinen Jüngern direkt nach dem Paschamahl.
    «Herr», antworten die Jünger, «hier sind zwei Schwerter».
    Er erwidert: «Das ist genug!» (Lk  22 , 36 – 38 , in der EÜ «Genug davon!»).
    Es war nicht genug. Nach einem kurzen, aber blutigen Gerangel mit seinen Jüngern nehmen die Wachen Jesus fest und bringen ihn vor die Machthaber in Jerusalem, unter der Anklage, «dass dieser Mensch unser Volk verführt» und es unter anderem «davon abhält, dem Kaiser Steuer zu zahlen», ein Vorwurf, den Jesus nicht abstreitet (Lk  23 , 2 ).
    Nach dem Schuldspruch wird Jesus nach Golgota geschickt, um dort neben zwei anderen Männern gekreuzigt zu werden, die ausdrücklich als
lestai,
Räuber, bezeichnet werden (Mt  27 , 38 – 44 ; Mk  15 , 27 ). Wie jeder Verbrecher, der an einem Kreuz hängt, bekommt auch Jesus eine Tafel, einen
titulus,
auf dem das Verbrechen verzeichnet ist, für das er hingerichtet wird. Bei Jesus lautet die Aufschrift: KÖNIG DER JUDEN . Sein Verbrechen: Streben nach der Königsherrschaft;
Aufwiegelung
. Und so wird Jesus von Nazaret, wie alle Banditen und Revolutionäre, alle aufrührerischen Zeloten und apokalyptischen Propheten, die vor und nach ihm kamen – wie Hiskia und Judas, Theudas und Athronges, der Ägypter und der Samariter, Simon bar Giora und Simon bar Kochba –, hingerichtet, weil er es gewagt hatte, den Titel des Königs und Messias für sich zu beanspruchen.
    Um das noch einmal klarzustellen: Jesus gehörte nicht der Zelotenpartei an, die den Krieg gegen Rom begann, denn von einer solchen Partei kann man erst etwa 30  Jahre nach seinem Tod reden. Jesus war auch kein gewalttätiger Revolutionär, der auf eine bewaffnete Rebellion aus war, obwohl seine Ansichten zum Einsatz von Gewalt weitaus komplexer waren, als man gemeinhin annimmt.
    Wenn man sich aber Jesu Worte und Taten im Tempel von

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