Zelot
. Jahrhunderts keineswegs uniform waren. Selbst diejenigen Juden, die Jesus als Messias anerkannten, waren sich nicht einig darin, was es eigentlich bedeutete, der Messias zu sein. Wenn sie die bruchstückhaften Prophezeiungen in den Schriften auslegten, stießen sie auf eine Vielzahl verwirrender, nicht selten widersprüchlicher Ansichten und Meinungen über Mission und Identität des Messias. Er ist ein Endzeitprophet, der das Ende der Zeiten einleitet (Dan 7 , 13 – 14 ; Jer 31 , 31 – 34 ); ein Befreier, der die Juden aus der Knechtschaft führt ( 5 Mos 18 , 15 – 19 ; Jes 49 , 1 – 7 ). Ein Thronanwärter, der das Königreich Davids wiedererstehen lässt (Mi 5 , 1 – 5 ; Sach 9 , 1 – 10 ).
Im Palästina des 1 . Jahrhunderts entsprach beinahe jede Messiasbehauptung einem dieser messianischen Paradigmen. Hiskia der Bandenführer, Judas der Galiläer, Simon von Peräa und Athronges der Schäfer richteten sich allesamt nach dem davidischen Ideal, was auch Manaim und Simon bar Giora während des Jüdischen Krieges taten. Dies waren Königs-Messiasse, deren königliche Aspirationen in ihren revolutionären Handlungen gegen Rom und dessen Klienten in Jerusalem klar definiert waren. Andere, wie Theudas der Wundertätige, der Ägypter oder der Samariter traten nach Mosaichem Vorbild als Erlöser-Messiasse auf. Jeder der drei versprach, seine Anhänger durch eine Wundertat vom Joch der römischen Besatzung zu befreien. Orakelhafte Propheten wie Johannes der Täufer und der heilige Ananias legten vielleicht nicht allzu deutlich messianische Ambitionen an den Tag, doch ihre Prophezeiungen über die Endzeit und das kommende Gericht Gottes entsprachen eindeutig dem Typus des Propheten-Messias, der sich sowohl in den Hebräischen Schriften als auch in den als Targum bekannten rabbinischen Überlieferungen und Kommentaren findet.
Das Problem der Frühkirche war, dass Jesus in keines der messianischen Schemata der Hebräischen Schriften passte. Zudem erfüllte er nichts von alledem, was man von dem Messias erwartete. Jesus sprach über das Ende der Zeiten, doch trat dieses nicht ein, nicht einmal, als die Römer Jerusalem zerstörten und den Tempel Gottes schändeten. Er versprach, Gott werde die Juden aus der Knechtschaft befreien, doch Gott tat nichts dergleichen. Er schwor, die Zwölf Stämme Israels und die Nation würden neu erstehen; stattdessen enteigneten die Römer das Gelobte Land, metzelten seine Einwohner nieder und verbannten die Überlebenden. Das von Jesus vorhergesagte Königreich Gottes kam nie; die neue Weltordnung, die er beschrieb, nahm nie Gestalt an. Gemessen an den Standards des jüdischen Kults und der Hebräischen Schriften war Jesus in seinen messianischen Bestrebungen genauso erfolgreich oder erfolglos wie alle anderen Möchtegern-Messiasse.
Offenbar erkannte die Frühkirche dieses Dilemma und traf, wie noch zu sehen sein wird, eine bewusste Entscheidung, diese messianischen Anforderungen zu ändern. Sie vermischten und veränderten die verschiedenen Messias-Darstellungen in den Hebräischen Schriften, um einen Kandidaten jenseits bestimmter Messias-Typen oder -Erwartungen zu erschaffen. Jesus mochte kein Prophet, Befreier oder König gewesen sein. Doch das lag daran, dass er über solch einfachen messianischen Paradigmen stand. Wie die Verklärung bewies, war Jesus größer als Elija (der Prophet), größer als Mose (der Befreier) und sogar größer als David (der König).
So könnte die Frühkirche die Identität Jesu begriffen haben. Es wird indes nicht klar, welches Verständnis Jesus von sich selbst hatte. Im gesamten ersten Evangelium gibt es schließlich nicht eine einzige definitive messianische Aussage von Jesus selbst, nicht einmal ganz am Schluss, als er vor Kajaphas steht und den Titel, den ihm andere ständig aufdrängen, eher passiv akzeptiert (Mk 14 , 62 ). Dasselbe trifft auf das Material der Logienquelle Q zu, wo sich ebenfalls keine einzige messianische Aussage Jesu findet. Vielleicht wollte Jesus die vielfältigen Erwartungen, die die Juden an den Messias hatten, einfach nicht erfüllen. Vielleicht lehnte er diese Bezeichnung vollständig ab.
In jedem Fall bleibt jedoch die Tatsache bestehen, dass, besonders bei Markus, jedes Mal, wenn jemand versucht, Jesus den Titel des Messias zuzuschreiben – sei es ein Dämon, ein Bittsteller, einer der Jünger oder sogar Gott selbst –, Jesus dies von sich weist oder bestenfalls widerstrebend akzeptiert, aber
Weitere Kostenlose Bücher