Zelot
einer römischen Stadt im Norden des Sees Gennesaret, das als Sitz der Tetrarchie von Herodes’ des Großen anderem Sohn Philippos dient. Unterwegs fragt Jesus seine Anhänger beiläufig: «Für wen halten mich die Menschen?» Die Antwort der Jünger spiegelt die Spekulationen von Tiberias wider: «Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten.» Jesus hält inne und wendet sich seinen Jüngern zu: «Ihr aber, für wen haltet ihr mich?» Es obliegt Simon Petrus, dem symbolischen Anführer der Zwölf, für den Rest zu antworten: «Du bist der Messias», sagt er und enthüllt an diesem wichtigen Wendepunkt in der Jesusgeschichte das Geheimnis, das dem Tetrarchen in Tiberias verschlossen bleibt (Mk 8 , 27 , Mt 16 , 13 – 16 ; Mk 8 , 27 – 29 ; Lk 9 , 18 – 20 ).
Sechs Tage später führt Jesus Petrus und die Söhne des Zebedäus – die Brüder Jakobus und Johannes – auf einen hohen Berg, wo er sich vor ihren Augen auf wundersame Weise verwandelt. «Seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann», schreibt Markus. Plötzlich erscheint Elija, der Prophet und Vorgänger des Messias, auf dem Berg. Bei ihm ist Mose, der große Befreier und Gesetzgeber Israels, der Mann, der die Fesseln der Israeliten sprengte und das Volk Gottes ins Gelobte Land führte.
Nach den Spekulationen in Tiberias und dem Grübeln der Jünger in Cäsarea Philippi ist Elijas Anwesenheit auf dem Berg nicht mehr gar so überraschend. Das Erscheinen des Mose indes ist etwas völlig anderes. Die Parallelen zwischen der sogenannten Verklärungsgeschichte und der Schilderung des Exodus, in welcher Mose auf dem Berg Sinai die Gesetzestafeln empfängt, sind kaum zu übersehen. Mose nahm ebenfalls drei Begleiter mit sich auf den Berg – Aaron, Nadab und Abihu –, und auch er wurde durch das Erlebnis physisch verwandelt. Mose Verklärung ist die Folge des Kontakts mit der Herrlichkeit Gottes, wohingegen Jesus durch seine eigene Herrlichkeit verklärt wird. Tatsächlich ist die Szene sogar so geschrieben, dass Mose und Elija – das Gesetz und die Propheten – Jesus eindeutig untergeordnet werden.
Die Jünger sind von dem Anblick entsetzt, und das zu Recht. Petrus versucht, das Unbehagen zu mildern, und schlägt vor, an der Stelle drei Tabernakel zu errichten: eines für Jesus, eines für Elija und eines für Mose. Während er noch spricht, hüllt eine Wolke den Berg ein – wie Jahrhunderte zuvor den Berg Sinai –, und eine Stimme darin wiederholt die Worte, die an dem Tage vom Himmel kamen, an dem Jesus sein Wirken am Jordan begann: «Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören», sagt Gott und verleiht Jesus denselben Beinamen (
ho Agapitos
, «der Geliebte»), den er einst König David gegeben hat. Somit ist, was Antipas’ Hof nicht begreifen und Petrus nur vermuten konnte, nun von einer Stimme aus einer Wolke auf einem Berggipfel göttlich bestätigt: Jesus von Nazaret ist der geweihte Messias, der König der Juden (Mt 17 , 1 – 8 ; Mk 9 , 2 – 8 ; Lk 9 , 28 – 36 ).
Was diese drei eindeutig miteinander verbundenen Szenen so bedeutsam macht, ist, dass Jesus bis zu diesem Punkt in seinem Wirken – insbesondere in dessen frühester Darstellung im Markus-Evangelium – noch keinerlei Aussage über seine messianische Identität getroffen hat. Vielmehr hat er stets zu vertuschen versucht, welche messianischen Bestrebungen er möglicherweise hatte oder nicht hatte. Dämonen, die ihn erkennen, bringt er zum Schweigen (Mk 1 , 23 – 25 ; 34 ; 3 , 11 – 12 ). Die von ihm Geheilten verpflichtet er zur Geheimhaltung (Mk 1 , 43 – 45 ; 5 , 40 – 43 ; 7 , 32 – 36 ; 8 , 22 – 26 ). Er hüllt sich selbst in unverständliche Gleichnisse und lässt nichts unversucht, seine wahre Identität und Mission vor den Menschen zu verbergen, die sich um ihn scharen (Mk 7 , 24 ). Immer wieder weist Jesus den Titel des Messias zurück, den ihm andere zuschreiben, vermeidet ihn, weicht ihm aus und lehnt ihn bisweilen sogar regelrecht ab. Für dieses seltsame Phänomen gibt es einen Begriff, der seinen Ursprung im Evangelium des Markus hat, sich jedoch nicht in allen Evangelien findet. Es ist das sogenannte Messiasgeheimnis.
Manche halten das Messiasgeheimnis für eine Erfindung des Evangelisten und glauben, dass es entweder ein literarisches Mittel ist, um Jesu wahre Identität erst nach und nach zu offenbaren, oder ein
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