Zelot
ausgearbeitete Widerlegung eines Streits, der außerhalb der Evangelien stattfand. Zu behaupten, Jesus von Nazaret sei von den Toten auferstanden, ist letztendlich eine Frage des Glaubens. Zu sagen, er sei auferstanden,
weil es so geschrieben steht
, ist hingegen etwas vollkommen anderes. In Lukas’ Darstellung des auferstandenen Jesus spricht dieser selbst das Problem an, indem er seinen Jüngern, die gehofft hatten, «dass er der sei, der Israel erlösen werde» (Lk 24 , 21 ), geduldig erklärt, dass sein Tod und seine Auferstehung in Wahrheit die Erfüllung der messianischen Prophezeiungen seien – wie alles, was über den Messias «im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen» geschrieben stehe, zum Kreuz und zum leeren Grab führe. «So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen», teilt Jesus seinen Jüngern mit (Lk 24 , 44 – 46 ).
Schade nur, dass sich nirgendwo in der Schrift etwas Derartiges findet: weder im Gesetz des Mose noch bei den Propheten, noch in den Psalmen. In der gesamten Geschichte jüdischen Denkens existiert nicht eine einzige Textzeile, die besagt, dass der Messias leiden, sterben und am dritten Tage auferstehen wird, was vielleicht erklärt, dass sich Jesus gar nicht erst die Mühe macht, eine entsprechende Textstelle zu zitieren, um seine unglaubliche Behauptung zu untermauern.
Kein Wunder, dass die Anhänger Jesu solche Probleme hatten, die anderen Jerusalemer Juden davon zu überzeugen, ihre Botschaft anzunehmen. Als Paulus in seinem Brief an die Korinther schreibt, die Kreuzigung sei «für Juden ein empörendes Ärgernis», spielt er damit das Dilemma der Jünger krass herunter ( 1 Kor 1 , 23 ). Für die Juden war ein gekreuzigter Messias nicht weniger als ein Widerspruch in sich selbst. Die Tatsache, dass er gekreuzigt worden war, entzog seinen messianischen Ansprüchen jeglichen Boden. Selbst die Jünger erkannten dieses Problem. Deshalb versuchen sie auch so verzweifelt, von ihren enttäuschten Hoffnungen abzulenken. Sie behaupten, das von ihnen ersehnte Königreich Gottes sei ein himmlisches Reich, kein irdisches; die messianischen Prophezeiungen seien falsch gedeutet worden; die Schriften, richtig ausgelegt, besagten das Gegenteil dessen, was gemeinhin angenommen wurde; tief in den Texten eingebettet befinde sich eine geheime Wahrheit über den sterbenden und auferstehenden Messias, die nur sie enthüllen könnten. Das Problem war, dass in einer mit Schrifttum überfrachteten Stadt wie Jerusalem solche Behauptungen wahrscheinlich auf taube Ohren stießen, insbesondere, wenn sie von einer Gruppe ungebildeter Bauern aus dem galiläischen Hinterland stammten, die über die Schriften gerade so viel wussten, wie sie zu Hause in ihren Synagogen darüber gehört hatten. So sehr sie sich auch bemühten, gelang es den Jüngern schlicht und einfach nicht, eine signifikante Anzahl Jerusalemer davon zu überzeugen, dass Jesus der lang ersehnte Befreier Israels war.
Die Jünger hätten Jerusalem verlassen, ihre Botschaft in ganz Galiläa verbreiten und in ihre Dörfer zurückkehren können, um dort ihren Freunden und Nachbarn zu predigen. Doch Jerusalem war der Ort von Jesu Tod und Auferstehung, der Ort, an den er, wie sie glaubten, bald zurückkehren würde. Es war das Zentrum des Judentums, und trotz ihrer etwas speziellen Auslegung des Schrifttums waren die Jünger in erster Linie Juden. Ihre Bewegung war rein jüdisch und wandte sich in jenen ersten Jahren nach Jesu Kreuzigung an ein ausschließlich jüdisches Publikum. Sie hatten nicht die Absicht, ihre Heilige Stadt aufzugeben oder sich vom jüdischen Kult loszusagen, ungeachtet der Verfolgung, die sie von den priesterlichen Behörden zu erwarten hatten. Die wichtigsten Führer der Bewegung – Paulus und Johannes sowie Jesu Bruder Jakobus – blieben den jüdischen Gebräuchen und dem Gesetz Mose bis zum Schluss treu. Unter ihrer Führung wurde die Jerusalemer Kirche als «Urgemeinde» bekannt. Ganz gleich, wie weit sich die Bewegung ausbreitete; gleich, wie viele andere Gemeinden in Städten wie Philippi, Korinth oder sogar Rom gegründet wurden; gleich, wie viele neue Konvertiten, ob Juden oder Heiden, sich der Bewegung anschlossen – jede Gemeinde, jeder Konvertit und jeder Missionar unterstand bis zu dem Tag, an dem die Stadt niedergebrannt wurde, der Autorität der «Urgemeinde» in Jerusalem.
Jerusalem zum Zentrum der Bewegung zu machen, hatte noch
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