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Zeltplatz Drachenloch

Zeltplatz Drachenloch

Titel: Zeltplatz Drachenloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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einem Ständchen und einem lebhaften Briefwechsel.
Zum Schluß werden schon die Fahrkarten für die Reise zum Dorf der Buben bestellt — aber einer hat wieder Pech.

    Sämtliche Buben der Schule in der Buchengasse begannen nun miteinander zu tuscheln.
    Hans und Max hatten Immerfroh an einem Nachmittag dreimal hintereinander besucht, vorher war bereits Georg dagewesen und der langsam denkende, aber sehr eifrige Fritz. Und als Hans und Max das dritte Mal kamen, geschah es. Frau Grimm hatte genug.
    »Das ist keine Wohnung mehr«, schrie sie, »das ist ein Bahnhof !« Sie warf es Immerfroh an den Kopf, vor Hans und Max.
    »Sie können doch mit unserem Lehrer nicht schimpfen«, schrie nun auch Hans in seiner Aufregung.
    Da kehrte die Farbe in Immerfrohs Gesicht zurück.
    »Du hast hier ruhig zu sein«, sagte er zu Hans. »Kommt, ich führe euch hinunter .«
    Unten auf der Straße betrachtete Max die Fensterreihe im ersten Stock.
    »Welche Fenster gehören ihr denn ?« fragte er, »damit ich einmal Maß nehmen kann. Vielleicht regt sie sich dann nicht mehr so auf .«
    »Frau Grimm ist eine arme, alte Frau«, sagte Immerfroh, »du wirst ihr keine Fenster einschlagen. Du mußt bedenken, daß ihr zwei Buben gestorben sind. Und ihr Mann wurde bei einem Brückenbau von einer herabstürzenden Stahltraverse erschlagen .«
    »Ach so«, sagte Max.
    »Und sie hat gar niemand mehr ?«
    »Nein. Sie ist ganz allein .«
    Die Buben schwiegen.
    Und nun bat Immerfroh seine Klasse, sie möge ihm einen Gefallen erweisen, einen Gefallen, der den Buben selbst die meiste Freude machen würde. Er entwickelte ihnen seinen Plan. Es gab keinen, der nicht begeistert war, und alle versprachen, mitzutun.

    Am Vorabend zu Frau Grimms 65. Geburtstag bat er die Frau, die sich inzwischen bei ihm entschuldigt hatte, in sein Zimmer. Er setzte sich in einen bequemen Polstersessel, den er sich neu angeschafft hatte. Das Fenster in den Garten war offen; es dunkelte bereits.
    »Was wollen Sie denn von mir ?« fragte Frau Grimm etwas ängstlich, weil sie nicht wußte, was Immerfroh vorhatte. »Ich wollte Sie nur zu einer Tasse wirklich guten Kaffee einladen«, erklärte Immerfroh.
    Kaffee war die einzige Freude für die alte Frau Grimm. Sie nahm einen winzigen Schluck und kostete ihn genießerisch.
    »Also, Kaffeekochen können Sie«, sagte sie anerkennend. Immerfroh zündete eine Kerze an und stellte sie auf den Tisch. Dann ging er zum Fenster und sah in den Garten hinunter. Als er sich zu Frau Grimm setzte, begann es im Garten zu summen. Drei, vier scheue Takte lang. Dann setzte der Gesang ein, leise und zart unter dem abendlichen Himmel:
    »Am Brunnen vor dem Tore...«
    Frau Grimm erschrak fast ein wenig und wunderte sich, daß nach der ersten Strophe die zweite kam. Sie griff nach ihrem Taschentuch und tupfte sich die Wangen ab. »Seien Sie ganz still«, bat Immerfroh ruhig. »Das ist für Sie, und Sie sollen sich freuen .«
    »Ich freue mich ja«, sagte Frau Grimm.
    Unten setzte ein neues Lied ein, wie es besser nicht passen konnte, denn in das Zimmer blickte, immer heller werdend, der volle Mond.
    »Der Mond ist aufgegangen,
    die gold’nen Sternlein prangen...«
    klang es aus dem Garten herauf. Und da konnte Frau Grimm nicht anders, sie drückte Immerfrohs Hand und weinte.
    Als auch dieses Lied zu Ende gesungen war, fiel nach einer kurzen Pause der Gesang ein:
    »Wir wollen zu Land ausfahren...«
    Das kam heller und lauter aus den jungen Kehlen. Man konnte meinen, sie gingen wirklich irgendwo durch die Wälder den leuchtenden Gipfeln entgegen. Frau Grimm lauschte und schüttelte immer wieder den Kopf. — So schön war das! Nun wurde der Gesang leiser, immer leiser, als entfernten sich die frohen Sänger. Schließlich ging er in ein Summen über, und dann war es still. Hie und da knirschte nur noch der Kies auf, aber auch das ging vorbei.
    Als Frau Grimm aufstand, ans Fenster ging und in den Garten blickte, waren die Sänger fort. Nur der Mond stand voll und rund am Himmel und legte durchsichtiges Silber auf jedes Baumblatt und auf jeden Grashalm.
    Von dieser Stunde an war Frau Grimm wie umgewandelt. Die Sechste und Immerfroh hatten einen neuen, guten Freund.

    Mein lieber Johannes!

    Heute kann ich Dir endgültig sagen, daß ich die Buben wirklich nach St. Georgen bringen werde. Es wird eine ganze Horde sein, und ich fühle mich jetzt, am letzten Schultag, auch als junger und froher Bub. Ankommen werden wir am Donnerstag der nächsten Woche, also am 7.

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