Zeltplatz Drachenloch
ihn die Buben daran erinnern wollten, daß Max und Hans noch im Zelt seien. Er winkte ab. »Schon gut, schon gut«, sagte e r, »heute stelle ich die Mannschaften auf .« Die andern begannen zu begreifen, was Immerfroh beabsichtigte. Nur Fritz glaubte, besonders gescheit zu sein. Er stellte sich vor Immerfroh auf und sagte: »Die beiden da, die sind ja noch im Zelt .«
Immerfroh betrachtete aufmerksam seine Trillerpfeife, dann fragte er langsam und gedehnt: »Wie ?«
Da gab es auch Fritz auf.
Immerfroh pfiff, und das Spiel begann.
Hans und Max knieten noch immer im Gras und hielten die Zeltstangen, Hans die bei der Rückwand, Max die beim Eingang.
Spielen die nicht schon? wollte Max fragen, aber er verkniff sich die Frage. Er wollte nicht der erste sein, der wieder zu reden anfing.
Müssen wir die Zeltstangen denn die ganze Stunde halten? wollte Hans fragen, aber auch er hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als das erste Wort mit Max gesprochen.
So verging fast eine Viertelstunde in schweigender Erbitterung. Von draußen kamen die Rufe der Klassenkameraden, mit denen sie einander anfeuerten, berieten oder warnten. Ab und zu schrillten die Pfiffe Immerfrohs durch die Luft.
Wenn ich sage: »So eine Gemeinheit !« dachte Hans bei sich, so ist das ja noch lange nicht mit Max gesprochen. Ich sage das nur so für mich, daß es mich erleichtert. Denn das Knien und Zeltstangenhalten strengt doch immerhin an, mehr sogar als Völkerballspielen. — Nein, das ist noch lange nicht mit ihm geredet. Also sagte Hans: »So eine Gemeinheit !«
Kein Echo.
Hans sagte noch einmal: »So eine Gemeinheit !«
Nach fünfundzwanzig Minuten, draußen hatte das Gegenspiel gerade begonnen, wurde es aber auch Max zu bunt.
»So eine Gemeinheit !« schimpfte Max.
Hans triumphierte. Auch Max konnte nicht ewig schweigen. Wie wäre es nun, wenn er ein anderes Wort sagte, nur so für sich, in keine bestimmte Richtung, nur zur Erleichterung. Hans überlegte, für welches Wort er sich entscheiden sollte.
»Affe !« sagte er schließlich.
Max zuckte zusammen, daß durch das Zelt ein Ruck ging. Ging das ihn an? Er überlegte kurz und gab »Du bist selber einer !« zurück.
Schöner hätte es nicht gehen können! Hans hatte sich nur mit sich unterhalten. Max aber war der, der zuerst das Wort an ihn gerichtet hatte.
»Du unterhältst dich also auf einmal wieder mit mir ?« fragte Hans.
»Schafskopf !« gab Max zur Antwort.
»Ochse !«
Kein Zweifel, es wurde langsam gemütlich, obwohl sie nun schon über eine halbe Stunde im Zelt knieten und die Stangen hielten.
»Was meinst du, du Kamel«, begann Max, »das Zelt ist doch erstklassig !«
»Schon lang bemerkt, du Nußknacker !«
Von draußen kamen zwei lange Pfiffe. Das hieß, daß auch das Gegenspiel beendet war. Würde Immerfroh jetzt kommen, oder gab es noch ein drittes Spiel?
Draußen blieb es ruhig.
»Immerfroh hat es bestimmt bemerkt, daß wir, na — du weißt ja«, sagte Max.
»Natürlich!« Hans wollte noch etwas sagen, da hörten sie draußen Immerfroh rufen: »Nein, kein Spiel mehr, wir müssen doch wieder das Zelt abbrechen und einpacken .« Nun kamen Schritte näher. Die Schnüre wurden gelok-kert , und die Zeltseiten fielen ein. Weder Hans noch Max hatten noch Gefühl in den Knien.
»Laßt ja keinen Zeltpflock in der Erde stecken«, hörten sie Immerfroh draußen sagen. »Habt ihr alle? Acht müssen es sein .«
»Ja«, kam die Antwort.
»So, und jetzt heben wir das Zelt wieder ab. Achtung, Vorsicht! Steigt nicht auf die Schnüre !«
Das Zelt wurde abgehoben, um Hans und Max wurde es wieder licht.
Im Kreis rundum brach ein schallendes Gelächter aus, als die Sechste Hans und Max noch immer bei den Zeltstangen knien sah. Immerfroh tat, als merke er nichts, und legte das Zelt sorgfältig zusammen. Die beiden hatten plötzlich auch Spaß daran, noch ein wenig zu knien und die Stangen zu halten.
Nun drehte sich Immerfroh um und tat, als bemerke er jetzt erst die beiden. Die ganze Sechste brach in ein großes Hallo aus. Einige wälzten sich vor Lachen im Gras. »Was ?« fragte Immerfroh, »ihr seid die ganze Zeit da drinnen geblieben?«
»Ja«, antworteten Hans und Max gleichzeitig. »Hoffentlich hat es euch nicht geschadet«, meinte Immerfroh besorgt.
»Nein, gar nicht«, kam es wieder von beiden zugleich. Und sie meinten es so, wie sie es sagten, und wußten, daß Immerfroh es so verstand, wie sie es meinten.
DAS ELFTE KAPITEL
berichtet von Frau Grimm , von
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