Zementfasern - Roman
zwischen der Haustür und dem Hof spannen. Ich will keinen Ärger. Mit euch und euren Erinnerungen will ich nichts zu tun haben.«
Arianna wandte sich zu der kleinen Schar ihrer Kollegen, den Polizisten und Arbeitern um, sie sah glücklich aus. Sie hatte gewonnen. Er hatte verloren.
Um Mitternacht, als das Fest vorbei war, die Leuchten brannten noch immer, aber der Kastanienbaum lag im Dunkeln, beschloss die Gruppe von Terra Madre, nach Marina Serra zu gehen, auf die Adriaseite. Nachts war die kleine Bucht bezaubernd, der Steilhang des Kliffs zerteilte das Wasser wie der kolossale Kopf eines Meeresungeheuers, in der Nähe lag ein Parkplatz im milchigen Licht, und die Laubengänge trafen alle auf dem kurzen Spaziergang zusammen, der von der Küste bis zu einem Sarazenenturm führte. Viele hatten ihn schon zu bewohnen versucht, aber zu viele Gespenster, zu viele Winde, zu viele Wellen hatten ihn baufällig gemacht, abgeschliffen und sogar verhext.
Federico, dessen Hände von der Arbeit an diesem Abend rot und geschwollen waren, erwartete sie am Kiosk, einem kleinen Imbiss, wo bis spät in die Nacht Pizzelle und Focacce aus dem Ofen kamen. Es war ein weißes Häuschen zwischen den Klippen, Annette und Donatello, die Besitzer, hatten schon die Fliesen gewischt und die Videospiele ausgeschaltet. Also blieben sie auf dem Mäuerchen sitzen, und während Annette Biere hinüberreichte, ermahnte sie die Jungen, nicht über den Fußboden zu laufen, wo er noch nass war. Arianna hatte ihre Haare gelöst und die Bluse geöffnet, die sie den ganzen Abend lang bis zum Hals zugeknöpft gelassen hatte.
In diesem Kiosk hatte sie ihre intensivsten Glücksmomente erlebt, als sie noch ein Kind war und am späten Nachmittag, wenn die Luft schläfrig wurde von den vor Feuchtigkeit zitternden Brisen aus dem Süden, die Straßenhändler aus der Serra herunterkamen, um pastellfarbene Perlen, blassgrüne oder in allen Regenbogenfarben schillernde Haarklemmen, Hornkämme und bunte Plastikarmbänder zu verkaufen. Mimi lenkte den Panda hüpfend über die Schlaglöcher der Küstenstraße, bremste an der Steigung, an der sie parkte, nahm Arianna an die Hand und führte sie vor die Assunta, das Kirchlein, dann folgte der Bummel zwischen den Verkaufsständen und schließlich der Abstieg zum Kiosk, wo der letzte Rest des Abends verbracht wurde. Die schönen Dinge dieser Zeit kehrten als Geschmack im Mund zurück, umgeben von der abendlichen Ruhe des Meeres, sie drängten in die Erinnerung mit der Lebhaftigkeit mythischer Erzählungen: der von einem gelben Licht bedeckte, mit Stimmen erfüllte und von Gerüchen überquellende Kiosk. Das beste Weizenmehl, die Pasteten mit Mozzarella und Schinken, die auf den Tellern platzten, die Spaghetti mit Miesmuscheln und, einmal nur, aber von einer Eindringlichkeit, die ihn fast zur Legende gemacht hatte, ein ganzer Hummer für einen geheimnisvollen Touristen.
Der Kiosk war Ariannas Glückseligkeit, die Lichter gingen aus, auch für sie kam die Nacht, und eine mit warmen juckenden Teilchen erfüllte Luft senkte sich auf ihre Haare, die Stirn, die Augen, schließlich aufs Herz. Arianna wandte den Blick von den Jungen auf dem Mäuerchen ab und sah Federico mit einem Bier in der Hand, das er aus bloßer Untätigkeit trank, aber dann sah sie wieder Mimi, die ihr Erdnüsse und Haselnüsse kaufte und sie, auf demselben Mäuerchen sitzend, für Arianna schälte, während sie auf die Pizza wartete, die von den Stufen über den Backöfen kam, wo das Holz von Olivenbäumen und Eichen brannte. Und jede Focaccia, Pizza, Pastete, die aus diesen Öfen kam, hatte den Geschmack der Kindheit und des Glücks. Federico bedeckte ihren Hals mit seinem Arm, und als sie ihm in die Augen sah, spürte sie, wie wehrlos er war gegen seine von Unruhe, aber auch von einer übermächtigen Sehnsucht erzeugten inneren Beben. Sie betrachtete ihren Freund, sie war stolz auf den vergangenen Abend, es war alles richtig gelaufen, ohne Peinlichkeiten; Unruhe und Sehnsucht liefen voran wie die Schienen eines Gleises, funkelnd und parallel.
Paolo ließ sich mit seinen Engelsflügelschultern wenige Wochen im Jahr in der Gegend um Otranto nieder. Er hatte sich die Zurückhaltung und das Schweigen bewahrt, die schon in seiner Kindheit charakteristisch für ihn gewesen waren.
Er sprach viel mit Mimi.
Eine Art Bündnis, ein Auserwähltsein entstand zwischen den beiden. Sie hatten gelernt, einander zu vertrauen. Gegenseitigkeit besteht, wenn jeder
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