Zenjanischer Lotus (German Edition)
wenn er Geryims Beweggründe nachvollziehen konnte, hätte er sich gewünscht, dass er ihm reinen Wein einschenkte.
Dann hätte er gewusst, woran er war und warum er fortgeschickt wurde.
Dass Geryim nichts gesagt hatte, war wohl in erster Linie seinem Stolz zuzuordnen. Und das konnte Sothorn wiederum verstehen.
Welcher Mann gab gern zu, dass er in den Augen seines Volkes nichts als ein unmündiges Kind war?
Dennoch, nur ein Wort, ein kleines Gespräch und er ... ja, was dann? Er hätte gewusst, woran er war, aber nichts ändern können.
Konnte er auch jetzt nicht, wurde ihm bewusst. Schmerzlich bewusst.
„Normalerweise braucht es eine Feierlichkeit in allerlei Schritten. Der Stamm zieht ins Gebirge, die Beute wird erwählt, die Jagd findet unter den Augen des Stammes statt“,
raunte Geryim dumpf. „Aber es ist möglich, das Ritual zu zweit zu vollziehen, solange der Zeuge der Jagd selbst ein Wargssolja ist. Seine Augen reichen, um das Erlegen der Beute zu
bestätigen.“
„Aber ich bin kein Mann deines Volkes“, erinnerte Sothorn ihn.
Grobe Finger griffen nach seinem Unterarm und hielten ihn fest. Sie waren klamm und zitterten: „Doch, das bist du. Und das habe ich Gwanja zu verdanken. Ich sagte dir heute Abend, dass sie
mir einen Gefallen getan hat. Sie hat dich erwählt und dich zu einem Teil des Rudels gemacht. Wer Gors Rituale erlebt und ein Gefährtentier an sich bindet, gehört zu uns. Es ist
früher oft geschehen. Junge Männer und Frauen von außerhalb, die sich in jemandem aus dem Stamm verliebt haben, haben sich dem Ritual unterworfen, um Teil der Gemeinschaft zu
werden. Oft gab es darum Scherereien, aber niemand würde die Wahl einer Brandlöwin anzweifeln. Brandlöwen sind über jeden Zweifel erhaben. Du bist nun ein Wargssolja. Gwanja hat
dich dazu gemacht.“
Die Neuigkeit war zu viel für Sothorn. Er war überfordert. Zu vieles war an diesem Tag ans Licht gekommen. Er wollte, konnte nicht denken.
Wargssolja, Gefährtentier, Feuer.
Alles stürzte auf ihn ein. Dazu Geryim, der sich zu ihm umwandte und ihn umarmte, als wolle er ihm jede einzelne Rippe brechen.
Sothorn hörte sich leise Bestätigungen flüstern, hörte sich versprechen, dass er Geryim zur Seite stehen würde. Wollte ihm an den Kopf werfen, dass er das nächste
Mal gefälligst den Mund aufmachen sollte, wenn ihn solch schwerwiegende Dinge bedrückten.
Konnte nicht. Musste ihn küssen und halten und zittern, als er auf den Rücken geworfen wurde und Geryim über ihm raunte: „Mein. Endlich mein. Ich danke dir.“
Ausgehungert fielen sie übereinander her. Sie konnten sich nicht nah genug sein. Es war ihnen unmöglich, sich zu einigen, sie wälzten sich umher; atemlos ineinander
verstrickt.
Es gelang ihnen nicht einmal, sich lang genug zu beherrschen, um einen von beiden auf das Eindringen des anderen vorzubereiten. Stattdessen umklammerten sie sich, rieben ihre bald verschwitzten
Körper aneinander, küssten sich wie Ertrinkende.
Sie waren sich so nah.
Sothorn verstand so vieles. Begriff das Leid, das Geryim von ihm ferngehalten hatte. Verstand dessen Quälerei, die von außen so unnötig schien. Lernte, wie wichtig es war, zu
wissen, wer man war, nachdem man nicht länger Waffe war und sein wollte.
Er küsste Geryims Wangen, bewegte ihre Gesichter aneinander, wand sich in der Faust, die sie zusammen umschloss und ihnen die animalische Erregung aus dem Körper trieb.
Stöhnen. Keuchen. Zusammen sein. Sich endlich einig.
Als kurze Zeit später die Spuren ihrer Lust auf ihrer Haut trockneten und sie sich in den Armen lagen, strich Geryim Sothorns Haare zurück.
Er flüsterte: „Gefällt mir, dieses Schlafen in einem Bett. Es eröffnet ungeahnte Möglichkeiten.“
Sothorn grinste. Der Meinung war er auch.
Träge streichelte er Geryims Rücken mit dem Unterarm, fühlte sich vollständig und dankte heimlich der Bruderschaft, dass sie ihnen das bequemste Bett auf dem Schiff
überlassen hatte.
Dabei war es nicht wichtig, wo sie zusammen waren. Er hätte auch mit einem Strohhaufen im Lager vorlieb genommen. Allerdings nicht länger mit einem Schaf, wie er in der ersten Nacht
nach seinem Entzug in Erwägung gezogen hatte.
Sothorn war kaum zu Atem gekommen, als ihm etwas einfiel. Sacht stieß er Geryim mit dem Knie an: „He ...“
„Hmja?“
„Diese Sache mit der Mannwerdung. Das wusstest du doch die ganze Zeit über. Warum dieses Hin und Her? Warum hast du mich zu dir geholt, mich weggeschickt,
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