Zentaurengelichter
Freunden. Ein Kahn, der eben den Leifmold-Kanal verließ, hatte Vasco und seine Kumpane an Bord. »Der verdammte Tote Mann«, knurrte ich. »Er hätte sie wenigstens etwas durchschütteln können.«
Sie hatten uns noch nicht entdeckt. Ich schickte alle unter Deck, damit es auch so blieb.
Ich hatte darauf gesetzt, daß der Tote Mann sie länger hinhielt. Jetzt machte ich mir Sorgen. Hatten sie etwas getan, was ich bereuen würde?
»Behalt die Piraten im Auge«, brummte Morpheus. »Sonst meucheln sie uns, wenn wir im Speigatt liegen und uns übergeben.« Das Schiff hatte sein Wendemanöver beendet. Jetzt rollte es in der Dünung vor der Küste.
Morpheus hatte keinen Grund zur Sorge. Die Mannschaft des Schiffes behandelte uns gut. Die Reise verlief fast ohne Zwischenfall. Einmal passierte uns das gestreifte Segel des Sturmlords. Die Jacht rollte und kämpfte sich durch eine See, für die sie nicht gebaut war. Sie schien sich nicht für uns zu interessieren und war auch in unserem ersten Zwischenhafen nicht zu sehen.
Einmal sahen wir weit draußen eine königliche Galeere, und bei anderer Gelegenheit meldete der Posten vom Ausguck auf dem Großmast, ein venagetisches Segel sei in Sicht. Beide kamen nicht näher. Acht Tage nach unserer Abreise aus Leifmold erreichten wir Full Harbor. Auch hier war kein gestreiftes Segel zu sehen. Endlich wurde mir etwas optimistischer zumute.
21. Kapitel
»Wir sind da«, knurrte Morpheus am nächsten Morgen. »Was jetzt?« Er hatte sich an in Schweineschmalz gebackenen Biskuits und fettiger Soße sattgegessen. Ein vegetarischeres Frühstück war nicht aufzutreiben.
»Jetzt versuche ich, die Spur dieser Frau aufzunehmen. Ihre Familie müßte noch hier leben. Die müßte was wissen.«
Selbst in meinen Ohren klang das zu einfach. Aber manchmal läuft es wirklich, wie man möchte. Es wäre nett, wenn ich sie im Haus ihres Vaters finden, mein Sprüchlein aufsagen und mit ihrem Ja oder Nein wieder abziehen könnte.
Full Harbor hatte sich verändert, und auch wieder nicht. Neue Bauten. Neue Hafenanlagen. Neue Straßen nach dem großen venagetischen Angriff vor drei Jahren. Dieselben alten Huren und Bordelle und Pfandhäuser und überteuerten Kneipen, die es auf die Einsamkeit junger Matrosen fern der Heimat im Schatten des Todes abgesehen hatten. Die Götter wissen, daß ich selbst genug Zeit und Geld in solchen Läden gelassen habe. Reformer wollen sie schließen lassen. Es wird nicht geschehen. Die Jungs hätten dann nichts mehr, womit sie sich die Zeit vertreiben könnten.
Ich erwartete einen Kommentar von Morpheus Ahrm. Er enttäuschte mich auf angenehme Weise. »Ihr Menschen seid voller Verzweiflung. Mehr kann ein Soldat nicht erwarten.«
Vielleicht sprach die menschliche Seite in ihm zu mir.
Wir sind die einzige Rasse, die aus Gewohnheit in den Krieg zieht, im großen Stil. Die anderen, besonders Elfen und Zwerge, haben gelegentlich Streit, aber nicht öfter als einmal pro Generation, und dann gewöhnlich nur für eine Schlacht ohne viel Zauberei, und der Sieger kriegt alles.
Viele von ihnen nehmen als Helfershelfer an unseren Auseinandersetzungen teil. Sie können nützlich sein, sind aber unberechenbar. Sie haben keine Ahnung von Disziplin.
»Du hast recht. Suchen wir uns einen Stützpunkt, damit wir an die Arbeit gehen können.«
Als Zivilisten zogen wir zahlreiche Blicke auf uns. Diese Aufmerksamkeit gefiel mir nicht. In meinem Geschäft möchte man nicht, daß sich jemand an einen erinnert.
Wir fanden ein Haus, das Zivilisten und Mischlinge aufnahm, ohne dafür zehn Jahreseinkommen zu verlangen. Es war so schmuddelig, wie es nur sein konnte. Ich bestach den Besitzer, damit er Alkohol von den Drillingen fernhielt, dann machten Morpheus und ich uns auf den Weg.
Auf der Karte betrachtet, sieht Full Harbor aus wie ein Hummerkopf zwischen zwei Scheren. Die Stadt und ihre Hafenanlagen liegen am Ende einer befestigten Landzunge. Die Scheren schützen die Bucht vor den schlimmsten Stürmen. Durch ihre Lage ist die Stadt gut zu verteidigen. Zweimal erst haben die Venageti es geschafft einzudringen, und dabei jedesmal ihre gesamte Streitmacht eingebüßt. Je weiter man sich vom Hafenviertel entfernt, desto »zivilisierter« wird die Stadt. Es gibt einige flache, bewaldete Hügel gleich hinter dem Nordwall. Hier stehen die Häuser der Wohlhabenden.
Kein hoher Herr wohnt in der Stadt. Sie wollen nicht riskieren, daß sie selbst und ihr Besitz einem der venagetischen
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