Zentaurengelichter
daher keinen Anspruch auf den Schutz durch sie. »Das ist nicht die Art von Information, die mir in irgendeiner Weise weiterhilft, Pater. Es sei denn, die Gründe für ihre Exkommunikation hätten mit ihrem jetzigen Aufenthaltsort zu tun.«
Pater Rhyne schüttelte den Kopf, wenn auch so zögerlich, daß klar wurde, wie wenig er seiner Sache sicher war.
»Meine einzige Aufgabe besteht darin, die Frau zu finden, damit ich ihr sagen kann, daß sie hunderttausend Taler geerbt hat. Habe ich es ihr gesagt, soll ich sie fragen, ob sie das Geld will. Falls sie es will, soll ich sie nach TunFaire begleiten, weil sie persönlich Anspruch darauf erheben muß. Falls sie es nicht will, muß sie eine eidesstattliche Erklärung abgeben, daß sich die Nachfolgenden auf der Testamentsliste freuen können. Das ist alles. Mehr nicht.«
»Nichtsdestoweniger haben Sie ein persönliches Interesse an dieser Sache.«
Glastür Garrett nennt man mich. So leicht bin ich zu durchschauen. »Der Verstorbene war ein guter Freund von mir. Ich möchte sehen, welche Frau ihn dazu gebracht hat, ihr alles zu hinterlassen, obwohl er sie seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte.«
Ein Lächeln zuckte um Rhynes Mundwinkel. Verdutzt hielt ich inne. Morpheus sagte: »Im Schatten hinter den Grabsteinen.«
Das brachte es. Natürlich. Rhyne war Kayeans Beichtvater gewesen. Er hatte kein Wort gesagt, aber er erinnerte sich an Sünden mit einem Marine namens Garrett.
»Also gut. Wir wissen, wo wir stehen. Wir wissen, was mein Job ist. Ich habe die Fragen gestellt, die ich für relevant halte – dazu einige, die es nicht waren, und welche, die womöglich irrelevant waren –, und ich glaube, Sie haben mir ehrlich geantwortet. Fällt Ihnen irgend etwas ein, das hilfreich sein könnte?«
»Warte mal, Garrett«, sagte Morpheus. Lautlos wie eine Wolke schwebte er zur Tür und riß sie auf. Pater Mike kippte fast vornüber.
Ich fragte mich, was es verhindert hatte.
»Ah! Das Bier!« Pater Rhyne setzte ein joviales Gastgeberlächeln auf, doch seine Augen lächelten nicht. »Stell nur das Tablett ab und geh deinen Pflichten nach, Mike. Wir sprechen uns später.«
Pater Mike ging und sah aus, als hoffte er, daß dieses »später« niemals kommen würde.
Rhyne tat, als wäre nichts Bedauerliches vorgefallen. Er goß Bier aus einem Monstrum von Krug in gigantische Tonhumpen. Morpheus’ Wasser kam in einem mundgeblasenen Seidel von ähnlicher Größe. Kaum hatte ich meinen ersten Schluck genommen, als sich Pater Rhyne von seinem Krug löste und »Aah!« sagte. Er wischte seinen Mund mit dem Pelz auf seinem Unterarm ab, dann rülpste er wie ein kleiner Donnerschlag. Schließlich schenkte er sich nach.
Bevor er den Humpen anhob, sagte er: »Welche Informationen kann ich Ihnen geben? Ich kann Ihnen sagen, daß Sie sie nicht in Full Harbor finden. Ich kann Ihnen raten, äußerst umsichtig vorzugehen, da ich mit absoluter Sicherheit weiß, daß es Leute gibt, die verhindern wollen, daß Sie sie finden. Ich kann Ihnen raten, nicht nach dem Bild von ihr zu suchen, daß Sie in Erinnerung haben, denn diese Frau werden Sie niemals finden.«
Ich trank mein Bier aus. »Danke. Gutes Bier.«
»Wir brauen es selbst. Kann ich noch etwas für Sie tun?«
»Nein … na ja, etwas Spontanes vielleicht. Ich habe gehört, Kayeans Vater wäre ermordet worden. Oder?«
Mit vielsagendem Blick sah er mich an. »Es ist möglich.« Seine Miene zeigte, daß nicht mehr über seine Lippen kommen würde.
Ich stellte meinen Humpen auf das Tablett zurück. Morpheus tat es mir nach. Er hatte Wasser in einer Menge gekippt, die ein Boot ins Schwanken bringen konnte. Wir steuerten die Tür an. Ich sagte: »Danke für alles.«
»Gern geschehen. Falls Sie sie finden, sagen Sie ihr, wir lieben sie noch immer, auch wenn wir ihr nicht vergeben können. Das müßte helfen.«
Wir blickten einander in die Augen. Und ich wußte, daß der fette haarige Klops keineswegs »wir« meinte. Außerdem wußte ich, daß die ganze Sache so keusch und vornehm war wie die Liebe eines weißen Ritters zu seiner Herzensdame in den alten Romanen. »Das werde ich, Pater.«
»Noch einer«, sagte Morpheus, als wir draußen waren. »Die Frau muß ich kennenlernen.« Und in seiner Stimme lag nicht der leiseste Hauch von Zynismus.
24. Kapitel
»Kommen wir eigentlich voran?« fragte Morpheus, als wir in die gemietete Kutsche kletterten.
»O ja. Wir haben uns die Lauferei erspart, jede orthodoxe Kirche in Full
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