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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dann wie ein Hahnenkamm aus und waren so weich wie Babyhaut.
    »Amelia«, sagte er. Er lächelte nicht, kein bisschen. »Ich nehme an, du bist wegen deiner Klammer hier.«
    Ich hatte das Gefühl, als wäre ich monatelang durch einen Wald gewandert, in dem die Bäume nach mir griffen und niemand meine Sprache sprach – und jetzt hatte ich gerade den ersten vernünftigen Satz gehört, von Rob. Er wusste, was ich wollte. Wenn das für ihn so einfach war, warum verstand das sonst niemand?
    Ich folgte ihm ins Behandlungszimmer, vorbei an seinen Angestellten, die mich mit so großen Augen anstarrten, dass ich fürchtete, sie könnten ihnen aus dem Kopf fallen. Ha! , dachte ich und ging stolz neben ihm her.
    Ich rechnete damit, dass Rob etwas zu mir sagen würde wie: Pass mal auf. Bleiben wir professionell und bringen die Sache hinter uns, ja? Doch stattdessen sagte er, als er mir das Papiertuch um den Hals legte: »Alles in Ordnung bei dir, Amelia?«
    Gott, warum konnte Rob nicht mein Vater sein? Warum konnte ich nicht in der Familie Reece leben und Emma in meiner? Dann hätte ich sie hassen können und nicht umgekehrt.
    »Im Vergleich womit?«, erwiderte ich. »Armageddon?«
    Rob trug einen Mundschutz, aber ich bildete mir ein, dass er dahinter lächelte. Ich hatte Rob schon immer gemocht. Er war ein Nerd und ziemlich klein, das genaue Gegenteil von meinem Vater. Wenn ich früher bei Emma übernachtete, sagte sie häufig, mein Vater sei wie ein Filmstar, groß und gut aussehend, und ich erwiderte, es sei ja wohl ekelig, dass sie so etwas auch nur dachte . Sie wiederum meinte dann, wenn ihr Vater je in einem Film mitspielen dürfte, dann hieße er bestimmt Die Rache der Nerds . Und vielleicht stimmte das ja, aber es machte ihm auch nichts aus, mit uns in Filme mit Amanda Bynes oder Hilary Duff zu gehen, und er ließ uns immer mit Paste für Zahnabdrücke spielen; daraus machten wir kleine Bären und Ponys, wenn uns langweilig war.
    »Ich hatte ganz vergessen, wie lustig du sein kannst«, sagte Rob. »Okay, Mund auf … Du wirst unter Umständen einen leichten Druck spüren.« Er griff nach einer Pinzette und begann, die Bänder aufzubiegen, die die Klammer mit meinen Zähnen verbanden. Es fühlte sich komisch an, als wäre mein Mund bionisch. »Tut das weh?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Emma redet zurzeit nicht viel von dir.«
    Ich konnte nicht sprechen, weil er seine Hände tief in meinem Mund hatte. Aber hätte ich sprechen können, hätte ich gesagt: Das kommt, weil sie zur Superhexe mutiert ist und mich nur noch hasst.
    »Die ganze Situation ist offenkundig ziemlich unangenehm«, fuhr Rob fort. »Ich muss zugeben, ich hätte nie gedacht, dass deine Mutter dich noch einmal zu mir kommen lässt.«
    Hat sie auch nicht.
    »Weißt du, bei der Kieferorthopädie dreht sich alles um Physik«, sagte Rob. »Wenn man eine Klammer einfach an die schiefen Zähne montiert, passiert gar nichts. Aber wenn man auf verschiedene Weise Kraft ausübt, ändert sich alles.« Er schaute auf mich hinunter, und ich wusste, dass er nicht mehr nur über die Zähne sprach. »Auf jede Aktion folgt eine Reaktion.«
    Rob reinigte meine Zähne. Ich hob die Hand und legte sie ihm aufs Handgelenk, damit er die elektrische Zahnbürste wegnahm. Mein Speichel schmeckte metallisch. »Sie hat auch mein Leben ruiniert«, sagte ich, und wegen des Speichels klang ich, als würde ich ertrinken.
    Rob wandte sich ab. »Du wirst einen Spannbügel tragen müssen, sonst werden sich die Zähne bewegen. Machen wir ein paar Röntgenaufnahmen, damit wir dir einen anpassen können …« Dann runzelte er die Stirn und untersuchte die Rückseite meiner Schneidezähne. »Der Zahnschmelz hier hat ziemlich abgebaut.«
    Natürlich hatte er das. Ich kotzte dreimal am Tag – nicht dass du das gewusst hättest. Trotzdem war ich noch genauso fett wie früher, denn wenn ich nicht kotzte, stopfte ich mich voll. Ich hielt die Luft an und glaubte, der Augenblick sei gekommen, in dem mich jemand durchschaute. Vielleicht hatte ich unterbewusst schon darauf gewartet, überlegte ich.
    »Hast du in letzter Zeit viel Cola getrunken?«
    Ich nickte erleichtert.
    »Lass das lieber«, sagte Rob. »Man benutzt Cola, um Blutflecke von der Straße zu entfernen. Hast du das gewusst? Möchtest du so etwas wirklich in dir haben?«
    Das hätte auch aus deinem Mund kommen können, und mir stiegen die Tränen in die Augen.
    »Tut mir leid«, sagte Rob und hob die Hände. »Ich wollte dir nicht

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