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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Blick über die Geschworenen schweifen. »Und jetzt stellen Sie sich vor, die Information, die ich Ihnen vorenthalten hätte, würde nicht nur den Ausgang des Prozesses beeinflussen, bei dem Sie als Geschworene gedient haben … sondern Ihre gesamte Zukunft.« Ich kehrte zu meinem Stuhl zurück. »Das, Ladys und Gentlemen, ist genau das, was Charlotte O’Keefe heute hergeführt hat.«

Charlotte
    Ich spürte, wie Piper mich anstarrte.
    Von ihrem Platz aus hatte sie freie Sicht auf mich, sowie Marin aufgestanden war und zu reden begonnen hatte. Ihre Augen brannten mir förmlich ein Loch ins Gesicht. Ich musste mich von ihr abwenden, um dem ein Ende zu bereiten.
    Irgendwo hinter ihr war Rob. Auch er hatte den Blick auf mich gerichtet wie ein Laser.
    Piper sah gar nicht mehr wie Piper aus. Sie war dünner geworden, älter. Sie trug etwas, worüber wir uns früher beim Shoppen lustig gemacht hätten, Kleidung, die wir den typischen Skating-Moms zugeschrieben hätten.
    Ich fragte mich, ob ich wohl auch anders aussah – oder ob ich in dem Augenblick, da ich sie verklagt hatte, vielleicht zu jemandem geworden war, den sie in mir nie vermutet hätte.
    Marin setzte sich mit einem Seufzer neben mich. »Jetzt geht’s los«, flüsterte sie, als Guy Booker aufstand und sich das Jackett zuknöpfte.
    »Ich bezweifele nicht, dass Willow O’Keefe – was hat Miss Gates gesagt? – bereits achtundsechzig Knochenbrüche hinter sich hat. Aber Willow hat im Februar auch eine Kostümparty zu ihrem Geburtstag gehabt. Über ihrem Bett hängt ein Poster von Hannah Montana, und sie hatte vergangenes Jahr distriktweit die besten Noten im Lesen. Sie hasst die Farbe Orange und den Geruch von gekochtem Kohl, und letzte Weihnachten hat sie sich vom Weihnachtsmann einen Affen gewünscht. Mit anderen Worten, Ladys und Gentlemen: Willow O’Keefe ist nicht anders als jedes andere sechseinhalbjährige Mädchen.«
    Er trat auf die Geschworenen zu. »Ja, sie ist behindert. Und ja, sie hat spezielle Bedürfnisse. Aber heißt das, dass sie nicht das Recht hat zu leben? Dass ihre Geburt ein Fehler war? Denn darum geht es in diesem Fall wirklich: um eine ›ungewollte Geburt‹, wie es in der Klage formuliert wird, und was sich dahinter verbirgt, ist wirklich eine harte Nuss, das können Sie mir glauben. Aber ja, diese Mutter hier, Charlotte O’Keefe, sagt, sie wünschte, ihr Kind wäre nie geboren worden.«
    Ich spürte, wie mir ein Schock durch die Glieder fuhr.
    »Sie werden von Willows Mutter hören, wie sehr ihre Tochter leidet. Aber Sie werden auch von ihrem Vater hören, wie sehr Willow das Leben liebt . Und Sie werden ihn sagen hören, wie viel Freude dieses Kind in sein Leben gebracht hat und was er von dieser sogenannten ›ungewollten Geburt‹ hält. Ja, das ist richtig. Sie haben mich nicht missverstanden. Charlotte ­O’Keefes eigener Ehemann war mit der Klage seiner Frau nicht einverstanden und wollte bei ihrem Plan, eine Versicherungsgesellschaft zu melken, nicht mitwirken.«
    Guy Booker trat zu Piper. »Wenn ein Paar entdeckt, dass es ein Kind erwartet, hofft es sofort, dass es gesund ist. Niemand möchte ein Kind, das nicht gesund ist; aber, Ladys und Gentlemen, die Wahrheit ist: Es gibt keine Garantie dafür. Und Charlotte O’Keefe sitzt hier aus zwei Gründen – und nur aus diesen zwei Gründen: erstens, um Geld zu bekommen, und zweitens, um mit dem Finger auf jemand anderen zu zeigen anstatt auf sich selbst.«
    Manchmal, wenn ich backe, öffne ich den Ofen auf Augenhöhe und werde von einer derartigen Hitzewelle getroffen, dass ich kurzzeitig geblendet bin. Guy Bookers Worte hatten in diesem Augenblick den gleichen Effekt. Ich erkannte, dass Marin recht gehabt hatte. Ich konnte sagen, dass ich dich liebe, und trotzdem auf ungewollte Geburt klagen; das war kein Widerspruch. Das war in etwa so, als würde man jemandem, der die Farbe Grün gesehen hat, befehlen, er solle vergessen, dass sie existiert. Ich könnte nie das Gefühl deiner Hand in meiner oder den Klang deiner Stimme vergessen. Ein Leben ohne dich war für mich unvorstellbar. Hätte ich dich nie gekannt, die Geschichte wäre eine andere gewesen; es wäre nicht mehr die Geschichte von dir und mir.
    Ich hatte nicht ein Mal den Gedanken gehabt, dass jemand für deine Krankheit verantwortlich sein könnte. Man hatte uns erklärt, sie sei eine spontane Mutation und nicht etwa vererbt. Man hatte uns auch gesagt, dass ich deine Knochenbrüche während der Schwangerschaft

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