Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
ohne dass sie einander berühren. Das Blech so mit Frischhaltefolie abdecken, dass den Schnecken Platz zum Aufgehen bleibt, und für mindestens zwölf Stunden in den Kühlschrank stellen. Davon träumen, wie der Teig wächst und somit beweist, dass manche Dinge größer werden, als wir je erwartet hätten.
Den Ofen auf 220 Grad vorheizen und die Schnecken fünfunddreißig Minuten lang backen. Sind sie goldbraun, aus dem Ofen nehmen. Sofort auf eine Kuchenplatte stürzen und warm servieren.
Marin
Wenige Minuten später
Zeugenaussagen sind immer fehlerhaft. Sie sind besser als Indizien, sicher, aber Menschen sind keine Camcorder. Sie nehmen nicht jede Einzelheit eines Geschehens auf, und allein der Akt des Erinnerns macht es erforderlich, Worte, Phrasen und Bilder zu wählen, um das Gesehen wiedergeben zu können. Mit anderen Worten: Jeder Zeuge, der dem Gericht eigentlich Fakten präsentieren soll, erzählt ihm nur seine Version davon.
Charlotte O’Keefe, die nun im Zeugenstand saß, war noch nicht einmal wirklich in der Lage, ihr eigenes Leben zu bezeugen. Sie hatte selbst zugegeben, dass sie voreingenommen war und dass sie sich nur insoweit an ihre eigene Geschichte erinnerte, wie sie mit Willow in Verbindung stand.
Ich hätte natürlich auch einen lausigen Zeugen abgegeben. Ich wusste ja noch nicht einmal, wo meine Geschichte begann .
Charlotte hatte die Hände im Schoß verschränkt und ließ die ersten drei Fragen über sich ergehen.
Wie heißen Sie? – Wo wohnen Sie? – Wie viele Kinder haben Sie?
Bei der vierten Frage geriet sie jedoch ins Stolpern.
Sind Sie verheiratet?
Technisch gesehen lautete die Antwort Ja; praktisch gesehen musste man es genauer darlegen – sonst würde Guy Booker Charlottes und Seans Trennung zu seinem Vorteil nutzen. Ich hatte Charlotte erklärt, was sie darauf antworten sollte, aber wir hatten es nicht üben können; sie war jedes Mal in Tränen ausgebrochen. Nun wartete ich auf ihre Antwort und hielt die Luft an.
»Im Augenblick bin ich verheiratet. Ja«, sagte Charlotte in sachlichem Tonfall. »Aber wenn man ein Kind mit so vielen speziellen Bedürfnissen hat … Das hat in meiner Ehe eine Menge Probleme verursacht. Deshalb leben mein Mann und ich im Augenblick auch getrennt.« Sie atmete langsam aus.
Braves Mädchen , dachte ich.
»Charlotte, können Sie uns erzählen, wie Willow entstanden ist?« Als eine der älteren Geschworenen daraufhin entsetzt nach Luft schnappte, fügte ich rasch hinzu: »Ich meine das bildlich gesprochen: wie Sie sich entschieden haben, Eltern zu werden.«
»Ich war bereits Mutter«, sagte Charlotte. »Fünf Jahre lang war ich alleinerziehend. Als ich Sean kennengelernt habe, wollten wir beide weitere Kinder … aber das war schwieriger als gedacht. Zwei Jahre lang haben wir es erfolglos versucht, und wir wollten gerade mit einer Fruchtbarkeitsbehandlung beginnen, als es plötzlich passiert ist.«
»Wie hat sich das angefühlt?«
»Wir waren außer uns vor Freude«, antwortete Charlotte. »Kennen Sie das Gefühl, wenn das Leben so perfekt ist, dass Sie sich schon vor dem nächsten Augenblick fürchten? Wenn es einfach zu schön ist, um wahr zu sein? Genau so haben wir uns gefühlt.«
»Wie alt waren Sie, als Sie schwanger wurden?«
»Achtunddreißig.« Charlotte lächelte ein wenig. »Das nennt man eine ›geriatrische Schwangerschaft‹.«
»Haben Sie sich deswegen Sorgen gemacht?«
»Ich wusste, dass das Risiko auf ein Kind mit Downsyndrom höher war als mit fünfunddreißig.«
Ich trat näher an den Zeugenstand heran. »Und haben Sie darüber mit Ihrer Gynäkologin gesprochen?«
»Ja.«
»Können Sie uns sagen, wer damals Ihre Gynäkologin war?«
»Piper Reece«, antwortete Charlotte. »Die Beklagte.«
»Warum haben Sie sich ausgerechnet die Beklagte als Ärztin ausgesucht?«
Charlotte schaute in ihren Schoß. »Sie war meine beste Freundin. Ich habe ihr vertraut.«
»Wie hat die Beklagte auf Ihre Sorge reagiert, ein Kind mit Downsyndrom zu bekommen?«
»Sie hat mir ein paar Blutuntersuchungen empfohlen – den Triple-Test –, um festzustellen, ob bei mir das Risiko für ein behindertes Kind überdurchschnittlich hoch ist. Anstatt eins zu zweihundertsiebzig war das Risiko bei mir eins zu einhundertfünfzig.«
»Und was hat sie Ihnen geraten?«, fragte ich.
»Sie hat mir zu einer Fruchtwasseruntersuchung geraten«, antwortete Charlotte. »Aber ich wusste, dass die riskant ist. Da ich aber ohnehin schon einen Termin
Weitere Kostenlose Bücher