Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
gehabt?«
Charlotte lächelte leicht. »Nicht wirklich. Wir machen keine Pläne. Wir sparen uns die Mühe, weil wir nie wissen, was passieren wird. Es gibt immer eine neue Verletzung, mit der wir umzugehen lernen müssen. Ein Rippenbruch ist beispielsweise nicht das Gleiche wie ein Wirbelsäulenbruch.« Sie zögerte. »Den hat Willow letztes Jahr gehabt.«
Auf der Geschworenenbank sog jemand zischend die Luft ein, worauf Guy Booker mit den Augen rollte und ich mich freute. »Können Sie dem Gericht erklären, wie Sie das alles finanziert haben?«
»Das ist ein riesiges Problem«, sagte Charlotte. »Ich habe gearbeitet, aber nach Willows Geburt konnte ich das nicht mehr. Auch als sie in die Vorschule gekommen ist, musste ich immer sofort los, wenn sie sich etwas gebrochen hat, und das geht nun einmal nicht, wenn man als Konditorin in einem Restaurant arbeitet. Wir haben versucht, eine Krankenschwester anzuheuern, doch die Kosten hätten mein Gehalt überstiegen, und manchmal schickten die Agenturen Frauen, die absolut keine Ahnung von OI hatten, die kein Englisch sprachen und die nicht verstanden, was ich ihnen über Willow sagte. Ich musste die ganze Zeit über für sie da sein.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wir schenken uns nicht viel zum Geburtstag oder zu Weihnachten. Wir haben keine Lebensversicherungen und kein Collegekonto für die Kinder. Wir fahren nicht in Urlaub. Unser ganzes Geld geht für die Kosten drauf, die nicht von der Versicherung übernommen werden.«
»Wie zum Beispiel?«
»Willow nimmt an einer klinischen Studie zur Wirkung von Parathormon teil, was heißt, dass die Therapie umsonst ist. Doch sobald sie ein bestimmtes Alter erreicht hat, kann sie nicht mehr an dem Programm teilnehmen, und jede Infusion kostet tausend Dollar. Beingestelle kosten fünftausend Dollar das Stück, Nagelungen einhunderttausend. Eine Wirbelverschmelzung, die Willow als Teenager wird bekommen müssen, kann sogar ein Mehrfaches davon kosten, und da ist der Flug nach Omaha noch nicht einmal mit eingerechnet. Manches bezahlt die Versicherung wenigstens teilweise, aber der Rest bleibt an uns hängen. Und es gibt jede Menge kleinere Dinge, die sich rasch zusammenläppern: Rollstuhlwartung; Schafshaut, um den Gips auszulegen; Eisbeutel; Kleider, die über einen Gips passen; Rampen für Rollstuhlfahrer zum Haus … Je älter sie wird, desto mehr wird sie davon brauchen. Dazu kommen Möbel für Leute von kleiner Statur. Will man ein Auto mit Pedalen versehen, die keine Mikrofrakturen in den Füßen verursachen, kostet der Umbau Zehntausende Dollar, und im Rahmen von Eingliederungsprogrammen wird einem nur ein Fahrzeug bezahlt; geht das kaputt, muss man das nächste selbst finanzieren. Willow kann aufs College gehen, aber auch das kostet mehr als gewöhnlich, weil dort Anpassungen nötig wären, wogegen spezielle Schulen für OI -Kinder schon wieder Reisekosten verursachen. Wir haben uns die Pension meines Mannes ausbezahlen lassen und eine zweite Hypothek aufs Haus aufgenommen. Meine beiden Kreditkarten sind bis zum Anschlag belastet.« Charlotte schaute zu den Geschworenen. »Ich weiß, wie das für Sie aussehen muss. Ich weiß, dass Sie glauben, ich mache das hier nur wegen des Geldes.«
Ich erstarrte. Ich war nicht sicher, was Charlotte hier vorhatte; jedenfalls hatten wir das so nicht abgesprochen. »Charlotte, haben Sie …?«
»Bitte«, sagte sie. »Lassen Sie mich zu Ende sprechen. Ja, es geht um die Kosten … aber nicht um die finanzieller Natur.« Sie blinzelte die Tränen weg. »Ich schlafe nachts nicht mehr. Wenn ich über einen Sketch im Fernsehen lache, fühle ich mich schuldig. Ich beobachte kleine Mädchen in Willows Alter auf dem Spielplatz, und manchmal hasse ich sie … So neidisch kann ich werden. Aber an dem Tag, an dem ich diesen Reanimationsverzicht im Krankenhaus unterschrieben habe, habe ich meiner Tochter etwas versprochen. Ich habe gesagt: Wenn du kämpfst, dann werde ich auch kämpfen. Wenn du lebst, dann werde ich dafür sorgen, dass du das bestmögliche Leben bekommst. Das ist es, was gute Mütter tun, nicht wahr?« Sie schüttelte den Kopf. »Normalerweise funktioniert es so, dass die Eltern sich eine Zeit lang um ihr Kind kümmern, und irgendwann kehren sich die Rollen um. Aber in unserem Fall werde immer ich diejenige sein, die sich um Willow kümmert. Deswegen bin ich heute hier. Das möchte ich von Ihnen hören: Wie soll ich für meine Tochter sorgen, wenn ich mal nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher