Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
unseres Klienten auf dem Heimweg von ihrem Liebhaber gewesen war.
Manchmal gewinnt man, manchmal nicht.
Als ich mir nun Charlotte O’Keefe ansah, die in meinem Büro saß und ihr Handy umklammert hielt, war ich mir ziemlich sicher, wie dieser Fall ausgehen würde. »Wo ist Willow?«, fragte ich.
»Bei der Physiotherapie«, antwortete Charlotte. »Die dauert bis elf.«
»Und die Knochenbrüche? Verheilen die gut?«
»Ich hoffe«, erwiderte Charlotte.
»Erwarten Sie einen Anruf?«
Charlotte schaute nach unten, als wäre sie überrascht, das Handy in ihrem Schoß zu sehen. »Oh … nein … Ich meine, ich hoffe nicht. Ich muss nur erreichbar sein für den Fall, dass Willow sich verletzt.«
Wir lächelten einander höflich an. »Sollen wir noch ein wenig warten? Auf ihren Mann?«
»Nun«, sagte sie und errötete, »er wird sich nicht zu uns gesellen.«
Um ehrlich zu sein, war ich überrascht gewesen, als Charlotte mich anrief und um einen Termin bat. Sean O’Keefe hatte bei seinem letzten Besuch mehr als deutlich gemacht, was er von unserem Vorschlag hielt. Nach Charlottes Anruf hatte ich geglaubt, er habe sich besonnen und wolle den Prozess angehen, doch nun … Ich schaute Charlotte an und bekam ein schlechtes Gefühl bei der Sache. »Aber er will klagen, korrekt?«
Charlotte rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. »Ich sehe nicht ein, warum ich das nicht auch allein tun kann.«
»Mal ganz abgesehen davon, dass Ihr Mann das früher oder später herausfinden wird, gibt es auch einen juristischen Grund. Sie teilen sich das Sorgerecht für Willow mit ihrem Mann. Nehmen wir einmal an, sie nehmen sich allein einen Anwalt, handeln mit der Ärztin einen Vergleich aus und werden von einem Auto überfahren. In dem Fall kann ihr Mann die Ärztin noch einmal verklagen, da er mit ihrem Prozess nichts zu tun hatte und der Vergleich nicht für ihn gilt. Aus diesem Grund besteht die beklagte Seite verständlicherweise darauf, dass beide Eltern in den Prozess einbezogen werden. Das wiederum bedeutet, dass Sergeant O’Keefe, selbst wenn er vielleicht nichts mit der Klage zu tun haben will, zumindest als Nebenkläger geführt werden muss, damit der Fall nicht noch einmal vor Gericht kommen kann.«
Charlotte runzelte die Stirn. »Ich verstehe.«
»Ist das ein Problem?«
»Nein«, antwortete sie. »Nein, das ist es nicht, aber … Aber wir haben kein Geld für einen Anwalt. Bei allem, was Willow so braucht, kommen wir nur knapp über die Runden. Deshalb … Deshalb bin ich ja heute hier, um mit Ihnen über die Klage zu sprechen.«
Jede auf Schadensersatz spezialisierte Kanzlei – die von Bob Ramirez eingeschlossen – beginnt einen Fall mit einer Kosten-Nutzen-Analyse. Deswegen hatte es so lange gedauert, bis wir die O’Keefes nach dem ersten Treffen wieder kontaktierten. Es gehörte zu meinen Aufgaben, erst einmal zu prüfen, ob die Klage überhaupt zulässig war, ob es schon einmal ähnliche Fälle gegeben hatte, und wenn ja, wie diese ausgegangen waren. War die zu erwartende Zahlung dann hoch genug, um mindestens unsere Kosten zu decken, rief ich die potenziellen Kläger an und erklärte ihnen, ihre Klage habe durchaus Aussicht auf Erfolg. »Machen Sie sich mal keine Sorgen über die Anwaltskosten«, sagte ich nun. »Die werden aus der Vergleichssumme bezahlt. Allerdings muss ich Sie darauf hinweisen, dass die meisten Klagen wegen ›ungewollter Geburt‹ in einem außergerichtlichen Vergleichsverfahren enden und weit weniger einbringen als vor Geschworenen. Denn die Versicherungsgesellschaften wollen keine schlechte Presse, obwohl von den Fällen, die vor Gericht gehen, fünfundsiebzig Prozent zugunsten des Beklagten entschieden werden. Ihr Fall im Speziellen, der auf der Missdeutung einer Ultraschallaufnahme gründet, wird die Geschworenen eher nicht überzeugen – Ultraschallaufnahmen sind vor Gericht nicht gerade die überzeugendsten Beweise. Und auch die Öffentlichkeit wird ein besonderes Interesse an dem Fall haben. Bei Klagen wegen ›ungewollter Geburt‹ ist das immer so.«
Charlotte schaute mich an. »Meinen Sie damit, die Leute werden glauben, ich mache das nur des Geldes wegen?«
»Nun«, antwortete ich schlicht, »ist das denn nicht so?«
Charlotte stiegen die Tränen in die Augen. »Ich mache das für Willow. Ich habe sie zur Welt gebracht, also ist es auch meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie so wenig wie möglich leidet. Das macht mich doch nicht zu einem Monster.« Sie wischte
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