Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
und stürmte zum Empfang. »Warten Sie!«, rief Briony. »Wo wollen Sie hin? Sie haben eine Telefonkonferenz um …«
»Machen Sie einen neuen Termin«, rief ich aufgebracht. »Mein Freund hat gerade über Facebook mit mir Schluss gemacht.«
Nicht dass Joe McIntyre der Mann gewesen wäre. Ich hatte ihn bei einem Spiel der Boston Bruins kennengelernt, das ich mit Klienten besucht hatte. Er war auf der Tribüne an mir vorbeigegangen und hatte mir sein Bier auf die Bluse geschüttet. Das war zwar nicht gerade ein verheißungsvoller Anfang gewesen, aber er hatte dunkelblaue Augen und ein Lächeln, das zur Klimaerwärmung beitrug, und bevor ich mich versah, hatte ich ihm nicht nur gestattet, die Reinigung zu bezahlen, sondern ihm auch meine Telefonnummer gegeben. Bei unserer ersten Verabredung fanden wir heraus, dass wir nur einen Block voneinander entfernt arbeiteten – er war Anwalt für Umweltrecht – und dass wir beide auf der UNH unseren Abschluss gemacht hatten. Bei unserem zweiten Date gingen wir zu mir und verließen zwei Tage lang nicht mehr das Bett.
Joe war sechs Jahre jünger als ich, was hieß, dass er mit seinen achtundzwanzig noch um die Häuser zog, während ich mit meinen vierunddreißig allmählich die Armbanduhr gegen die biologische Uhr tauschte. Ich wollte von diesem Abenteuer ein wenig Spaß: jemanden, mit dem ich samstagabends ins Kino gehen konnte und der mir am Valentinstag Blumen schenkte. Ich hatte gar nicht erwartet, dass es ewig dauerte; vielmehr war ich davon ausgegangen, dass ich ihm nach ein paar Monaten sagen würde, wir hätten wohl zu unterschiedliche Vorstellungen vom Leben.
Aber verdammt noch mal, über Facebook hätte ich bestimmt nicht mit ihm Schluss gemacht.
Ich bog um die Ecke und betrat den Empfang der Kanzlei, für die er arbeitete. Der Empfang war weit weniger pompös ausgestattet als Bobs, aber wir waren ja auch auf Schadensersatzklagen spezialisiert und versuchten nicht, die Welt zu retten. Die Rezeptionistin lächelte mich an. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Joe erwartet mich«, sagte ich und ging den Gang hinunter.
Als ich die Tür zu seinem Büro öffnete, diktierte er gerade in ein digitales Aufnahmegerät. »Des Weiteren glauben wir, dass es im besten Interesse von Cochran und Sons liegt … Marin? Was machst du denn hier?«
»Du hast mit mir Schluss gemacht – auf Facebook !«
»Ich wollte dir eine Textnachricht schicken, aber ich dachte, das würde es nur schlimmer machen«, sagte Joe und sprang auf, um die Tür zu schließen, als ein Kollege vorbeikam. »Komm schon, Marin. Du weißt, dass ich nicht gut in diesem ganzen Gefühlskram bin.« Dann grinste er. »In anderen Dingen aber schon.«
»Du bist ein unsensibler Troll«, sagte ich.
»Wenn du mich fragst, war das die zivilisierteste Lösung. Was wäre denn die Alternative gewesen? Ein großer Streit, bei dem du mir am Ende sagst, ich soll mich verpissen und verrecken?«
»Ja!«, erwiderte ich und atmete dann tief durch. »Gibt es eine andere?«
»Es gibt etwas anderes«, erklärte Joe nüchtern. »Um Himmels willen, Marin, du hast mich die letzten drei Male abblitzen lassen, als ich versucht habe, mich mit dir zu verabreden. Was hast du denn von mir erwartet? Dass ich einfach rumsitze und warte, bis du Zeit für mich hast?«
»Das ist nicht fair«, sagte ich. »Ich habe Standesamtakten durchsucht …«
»Genau«, unterbrach mich Joe. »Du willst nicht mit mir ausgehen. Du willst mit deiner biologischen Mutter ausgehen. Schau mal, zuerst fand ich das irgendwie scharf – du weißt schon, die Leidenschaft, mit der du an die Sache rangingst. Nur dann hat sich herausgestellt, dass sie die einzige ist, bei der du Leidenschaft zeigst, Marin.« Er steckte die Hände in die Taschen. »Du bist so sehr damit beschäftigt, in der Vergangenheit zu leben, dass für das Hier und Jetzt nichts mehr übrig bleibt.«
Ich spürte, wie mein Nacken immer wärmer wurde. »Erinnerst du dich noch an diese zwei fantastischen Tage und Nächte bei mir?«, fragte ich und beugte mich zu ihm, bis wir nur noch einen Hauch voneinander entfernt waren. Ich beobachtete, wie sich seine Pupillen ausdehnten.
»Oh ja«, murmelte er.
»Das war nur vorgespielt. Jedes Mal«, sagte ich und verließ hoch erhobenen Hauptes Joes Büro.
Ich bin am 3. Januar 1973 geboren worden. Das weiß ich natürlich schon mein ganzes Leben lang. Die Adoptionsurkunde, die ich aus Hillsborough County bekommen hatte, war auf Ende Juli datiert, denn bei
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