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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ankotzen. Ich war schon sauer, wenn ich morgens aufwachte und von dir angestarrt wurde wie ein Tier im Zoo. Ich war sauer, wenn ich zur Schule ging und nur noch einen Spind in der Nähe der Französischklasse bekam, denn Madame Riordan hatte sich in den Kopf gesetzt, mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich war sauer, wenn ich einen kichernden Haufen Cheerleader sah mit ihren perfekten Beinen und ihren perfekten Leben, die keine andere Sorge hatten als die, wer sie zum nächsten Schulball einladen würde. Ihre Mütter vergaßen sicher nicht, sie von der Schule abzuholen, weil sie in der Notaufnahme beschäftigt waren. Nur wenn ich Hunger hatte, war ich nicht wütend – wie jetzt. Oder zumindest glaubte ich, dass es sich um Hunger handelte. Wut und Hunger … Beides fühlte sich an, als würde man von innen aufgefressen. Ich konnte sie nicht mehr voneinander unterscheiden.
    Als meine Eltern sich zuletzt gestritten hatten – also gestern –, waren wir beide in unserem Schlafzimmer gewesen und hatten sie klar und deutlich hören können. Worte drangen durch die Tür, obwohl sie fest geschlossen war: ungewollte Geburt … Aussage … eidesstattliche Erklärung. An einem Punkt hörte ich sie vom Fernsehen sprechen: Glaubst du, die Journalisten werden keinen Wind davon bekommen? Willst du das wirklich? , fragte Dad, und einen Augenblick lang dachte ich, wie cool es wohl wäre, in den Nachrichten zu sein, bis ich mir überlegte, dass ich in meinen fünfzehn Minuten Ruhm nicht das Aushängeschild einer zerrütteten Familie sein wollte.
    »Sie sind wütend auf mich«, hast du gesagt.
    »Nein, sie sind wütend aufeinander.«
    Dann hörten wir beide Dad sagen: Glaubst du wirklich, Willow findet das nicht heraus?
    Du hast mich angeschaut. »Was finde ich heraus?«
    Ich zögerte, und anstatt zu antworten, griff ich nach dem Buch in deinem Schoß und sagte, ich würde dir nun laut vorlesen.
    Normalerweise mochtest du das nicht – Lesen war so ziemlich das Einzige, womit du brillieren konntest, und das hast du auch gerne getan –, aber vermutlich hast du dich in diesem Moment genauso gefühlt wie ich: als hättest du Stahlwolle im Bauch, die bei jeder Bewegung an den Eingeweiden scheuert. Ich hatte Freunde, deren Eltern geschieden waren. Hatte das bei denen auch so angefangen?
    Ich schlug wahllos eine Seite mit Fakten auf und begann, dir laut über unwahrscheinliche und grausame Todesfälle vorzulesen. Da war zum Beispiel ein Sicherheitsmann, der ums Leben gekommen war, weil er fünfzigtausend Dollar in Vierteldollarmünzen auf den Kopf bekommen hatte. In der Nähe von Neapel hatte eine Windbö ein Auto in den Fluss geweht. Der Fahrer schlug die Scheibe ein, kletterte hinaus und schwamm ans Ufer, wurde dort aber von einem umstürzenden Baum erschlagen. Ein Mann, der sich 1911 in einem Fass die Niagarafälle hinuntergestürzt und sich dabei fast jeden Knochen gebrochen hatte, rutschte später in Neuseeland auf einer Bananenschale aus und brach sich das Genick.
    Letzteres gefiel dir am besten, und ich hatte dich wieder zum Lächeln gebracht, aber ich fühlte mich noch immer hundeelend. Wie sollte man klarkommen, wenn einen ständig etwas umhaute?
    In dem Augenblick kam Mom ins Zimmer und setzte sich auf dein Bett. »Du und Daddy, hasst ihr euch?«, hast du gefragt.
    »Nein, Willow«, erwiderte Mom und lächelte, aber es sah völlig verkrampft aus. »Alles ist in bester Ordnung.«
    Ich stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Wann wirst du es ihr sagen?«, verlangte ich zu wissen.
    Ich schwöre, der Blick meiner Mutter hätte mich zerschneiden können. »Amelia«, sagte sie in einem Tonfall, der keine Diskussion mehr zuließ, »es gibt nichts zu sagen.«
    Nun saß ich auf dem Badewannenrand und erkannte, was für eine große Lügnerin meine Mutter war. Ich fragte mich, ob ich mal genauso werden würde, ob man so eine Veranlagung erben konnte – schließlich hatte ich auch die Fähigkeit von Mom geerbt, mit der Zunge Knoten in Kirschstängel zu machen.
    Ich beugte mich über die Toilettenschüssel, steckte mir den Finger in den Hals und kotzte. Damit es wenigstens nicht gelogen war, dass ich eine große, schmerzhafte Leere in mir hatte.

~ Rezept
    Blind backen: einen Kuchenboden ohne Füllung
vorbacken.
    Wenn man es mit einem empfindlichen Teig zu tun hat, wird er trotz bester Absichten manchmal in sich zusammenfallen. Aus diesem Grund müssen bei gefüllten Kuchen die Böden mitunter vorgebacken werden. Dafür

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