Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
hieß, dass es länger dauern könnte – aber möglich war es. Ich ließ sie mit einer Folsäurebehandlung beginnen und regelmäßig Temperatur messen. Ich sagte Sean (das musste bis dahin sein Lieblingsgespräch mit mir gewesen sein), dass sie häufiger Sex haben sollten. Sechs Monate lang trug ich Charlottes Zyklus in meinen Kalender ein, und am achtundzwanzigsten Tag rief ich sie immer an und fragte, ob ihre Periode begonnen hatte. Sechs Monate lang ging das so. »Vielleicht sollten wir es mal mit Medikamenten versuchen«, schlug ich vor, und einen Monat später, kurz vor ihrem Termin bei einem Spezialisten für künstliche Befruchtung, wurde Charlotte auf altmodische Art schwanger.
Wenn man bedachte, wie lange das mit der Empfängnis gedauert hatte, verlief die Schwangerschaft ereignislos. Charlottes Blut- und Urintests waren immer negativ, ihr Blutdruck nie erhöht. Rund um die Uhr war ihr schlecht, und wenn sie sich um Mitternacht erbrach, rief sie mich jedes Mal an und fragte, warum man das eigentlich » Morgen übelkeit« nannte.
In der elften Woche ihrer Schwangerschaft hörten wir zum ersten Mal das Herz des Kindes schlagen. In der fünfzehnten Woche machte ich den Triple-Test auf neurale Schädigungen und Downsyndrom. Als zwei Tage später die Ergebnisse eintrafen, fuhr ich in meiner Mittagspause zu ihr. »Stimmt was nicht?«, fragte sie, als sie mich vor der Tür stehen sah.
»Es geht um deine Testergebnisse. Wir müssen reden.«
Ich erklärte ihr, dass der Triple-Test kein wasserdichtes Ergebnis liefere, sondern nur angeben könne, ob ihr Kind ein erhöhtes Risiko auf Downsyndrom habe; das war in etwa fünf Prozent der Fälle gegeben. »Allein aufgrund deines Alters ist dein Risiko eins zu einhundertsiebzig«, sagte ich. »Der Bluttest hat jedoch ergeben, dass dein Risiko höher als der Durchschnitt ist, nämlich eins zu einhundertfünfzig.«
Charlotte verschränkte die Arme vor der Brust.
»Du hast nun mehrere Optionen«, fuhr ich fort. »In drei Wochen ist bei dir ohnehin eine Ultraschalluntersuchung angesetzt. Wir werden uns das genauer ansehen, und sollte uns etwas auffallen, können wir das eingehender untersuchen. Fällt uns jedoch nichts auf, können wir dein Risiko wieder bis auf den Durchschnitt herabstufen und davon ausgehen, dass das Ergebnis des Triple-Tests falsch war. Aber vergiss nicht: Auch eine Ultraschalluntersuchung ist nicht zu einhundert Prozent sicher. Wenn du hundertprozentige Sicherheit willst, musst du eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen lassen.«
»Ich dachte, das könnte eine Fehlgeburt auslösen«, sagte Charlotte.
»Kann sie auch. Aber das Risiko beträgt nur eins zu zweihundertsiebzig – im Augenblick ist es also geringer, als ein Kind mit Downsyndrom zu bekommen.«
Charlotte rieb sich das Gesicht. »Wenn ich also eine Fruchtwasseruntersuchung machen lasse …«, sagte sie. »Wenn sich herausstellt, dass das Baby …« Der Satz verebbte. »Was dann?«
Ich wusste, dass Charlotte katholisch war, und ich wusste auch, dass es meine Verpflichtung als praktizierende Ärztin war, einer Patientin alle Informationen zu geben, die ich hatte. Wie sie damit ihrem persönlichen Glauben entsprechend umging, war einzig und allein ihre Sache. »Dann kannst du entscheiden, ob du die Schwangerschaft abbrechen willst oder nicht«, antwortete ich in sachlichem Tonfall.
Sie schaute mich an. »Piper, ich habe mich so angestrengt, dieses Baby zu bekommen. So einfach gebe ich nicht auf.«
»Du solltest das mit Sean besprechen …«
»Lass uns die Ultraschalluntersuchung machen«, beschloss Charlotte. »Dann sehen wir weiter.«
Aus all diesen Gründen erinnere ich mich noch sehr gut an das erste Mal, als wir dich auf dem Bildschirm gesehen haben. Charlotte lag auf dem Untersuchungstisch, und Sean hielt ihre Hand. Janine, die das Ultraschallgerät in meiner Praxis bediente, nahm die Messungen vor, und ich las anschließend die Ergebnisse. Wir suchten nach Mikrozephalie, Hypotelorismus und anderen pränatalen Anzeichen für ein Downsyndrom. Ich hatte eigens dafür gesorgt, dass hier unser neuestes Gerät zum Einsatz kam, das gerade erst geliefert worden und auf dem modernsten Stand der Technik war.
Kaum waren die Aufnahmen gemacht, kam Janine in mein Büro. »Ich kann keinen der üblichen Verdächtigen für ein Downsyndrom finden«, sagte sie. »Das einzig Abnormale sind die Oberschenkelknochen; sie liegen bei der sechsten Perzentile.«
Derartige Messwerte bekamen wir
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