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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ständig. Da erschien der Knochen eines Fötus durch den Bruchteil eines Millimeters kleiner als normal, und bei der nächsten Ultraschalluntersuchung war alles in Ordnung. »Das könnte genetisch bedingt sein. Charlotte ist auch ziemlich klein.«
    Janine nickte. »Ja, ich mache aber einen Vermerk daran, dass wir das im Auge behalten sollten.« Sie hielt kurz inne. »Da war allerdings auch etwas Seltsames.«
    Ich riss den Kopf hoch. »Was?«
    »Sieh dir mal die Bilder vom Gehirn an, wenn du wieder reingehst.«
    Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. »Vom Gehirn?«
    »Anatomisch betrachtet sieht es vollkommen normal aus; es ist nur unglaublich … klar.« Sie schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
    Dann war das neue Ultraschallgerät also wirklich unglaublich gut. Ich verstand, warum Janine so begeistert war, aber ich hatte keine Zeit, mit ihr über unser neues Equipment zu frohlocken. »Ich werde ihnen jetzt erst einmal die gute Nachricht überbringen«, sagte ich und ging ins Untersuchungszimmer.
    Charlotte wusste es; sie wusste es, kaum dass sie mein Gesicht gesehen hatte. »Gott sei Dank«, seufzte sie, und Sean küsste sie. Dann griff sie nach meiner Hand. »Bist du sicher?«
    »Nein. Ultraschall ist keine exakte Wissenschaft. Aber ich würde sagen, dass sich deine Chancen, ein gesundes Baby zu bekommen, gerade dramatisch verbessert haben.« Ich schaute auf den Bildschirm, der ein Standbild von dir zeigte, wie du am Daumen lutschst. »Dein Baby«, sagte ich, »sieht einfach perfekt aus.«
    In meiner Praxis führten wir keine Ultraschalluntersuchungen durch, die nur dem Vergnügen der Eltern dienten, also medizinisch nicht notwendig waren. Aber irgendwann, als Charlotte ungefähr in der siebenundzwanzigsten Woche war, holte sie mich im Krankenhaus zum Kino ab, als ich noch mit einer Geburt beschäftigt war. Eine Stunde später fand ich sie in meinem Büro, die Füße auf dem Tisch und mit einem aktuellen Medizinjournal in der Hand. »Das ist wirklich faszinierend«, sagte sie. »Multiple endokrine Neoplasien. Wenn ich das nächste Mal nicht einschlafen kann, komme ich auf die Zeitschrift zurück.«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich habe nicht geglaubt, dass es so lange dauern würde. Sie hat es bis sieben Zentimeter geschafft, dann ging nichts mehr.«
    »Kein Problem. Ich hatte ohnehin keine Lust auf einen Film. Seit heute Nachmittag tanzt das Baby auf meiner Blase herum.«
    »Ah, eine zukünftige Ballerina, wie ich sehe.«
    »Oder ein Footballstar, wenn es nach Sean geht.« Charlotte schaute mich an und suchte in meinem Gesicht nach Hinweisen auf das Geschlecht des Babys.
    Dabei hatten Sean und Charlotte beschlossen, das Geschlecht im Vorfeld nicht erfahren zu wollen. Wenn Eltern uns das sagten, legten wir einen entsprechenden Vermerk in der Patientenakte an. Für mich war es die reinste Herkulesaufgabe gewesen, während der Ultraschalluntersuchungen nicht hinzuschauen, aber ich hatte in jedem Fall vermeiden wollen, später ungewollt etwas auszuplaudern.
    Es war sieben Uhr. Meine Arzthelferin war schon nach Hause gegangen, und Patienten waren auch keine mehr da. Charlotte hatte nur auf mich warten dürfen, weil wir miteinander befreundet waren. »Wir müssen ihm ja nicht sagen, dass wir es wissen«, sagte ich.
    »Dass wir was wissen?«
    »Das Geschlecht des Babys. Nur weil wir den Film verpasst haben, heißt das ja nicht, dass wir uns nicht einen anderen anschauen können …«
    Charlottes Augen wurden immer größer. »Meinst du eine Ultraschallaufnahme?«
    »Warum nicht?« Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ist das denn sicher?«
    »Absolut.« Ich grinste sie an. »Komm schon, Charlotte. Was hast du zu verlieren?«
    Fünf Minuten später waren wir in Janines Aufnahmeraum. Charlotte hatte ihren Rock bis unter den BH hochgezogen und den Slip unter den Bauch geschoben. Ich drückte ihr Gel auf den Bauch, und sie quiekte. »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich weiß, das ist kalt.« Dann nahm ich den Signalwandler und fuhr damit über ihre Haut.
    Dein Bild tauchte auf dem Bildschirm auf wie eine Meerjungfrau, die die Wasseroberfläche durchbricht. Im einen Moment war noch alles schwarz, dann schälte sich langsam ein Bild heraus, das wir erkennen konnten. Da war ein Kopf, ein Rückgrat, eine winzige Hand …
    Ich fuhr mit dem Signalwandler zwischen deine Beine. Anstatt jedoch die typisch gekreuzten Knochen eines Fötus zu sehen, lagen deine Fußsohlen aneinander, und deine Beine formten

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