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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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gehe. Ich wankte den Flur hinunter und zur ersten Tür, die ich finden konnte. Sie führte in einen Lagerraum für Verbandmittel.
    Meine beste Freundin verklagte mich wegen eines Kunstfehlers.
    Wegen ungewollter Geburt.
    Weil ich ihr nicht früher von der Krankheit erzählt und sie dadurch um die Chance gebracht hatte, das Kind abzutreiben, das zu bekommen sie mich angebettelt hatte.
    Ich ließ mich auf den Boden sinken und legte den Kopf in die Hände. Vor einer Woche noch waren wir mit den Mädchen ins Einkaufszentrum gefahren. Ich hatte sie zum Mittagessen bei einem Italiener eingeladen. Charlotte hatte eine schwarze Hose anprobiert, und wir hatten über die tief sitzenden Bünde gelacht und gesagt, dass man lieber eine spezielle Stütze für Frauen über vierzig einnähen sollte. Wir hatten Emma und Amelia die gleichen Schlafanzüge gekauft.
    Wir hatten sieben Stunden auf engstem Raum miteinander verbracht, und nicht ein Mal hatte Charlotte es geschafft zu erwähnen, dass sie mich verklagen wollte.
    Ich nahm das Handy von meinem Gürtel und drückte ihre Schnellwahltaste – Nummer 3, in der Rangliste gleich hinter meinem Zuhause und Robs Büro. »Hallo?«, sagte Charlotte, als sie abnahm.
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich meine Stimme wiederfand. »Was soll das?«
    »Piper?«
    »Wie konntest du? Fünf Jahre lang war alles in Ordnung, und von jetzt auf gleich wirfst du mir eine Klage an Kopf?«
    »Ich glaube nicht, dass wir am Telefon darüber sprechen sollten …«
    »Um Himmels willen, Charlotte. Habe ich das wirklich verdient? Was habe ich dir denn getan?«
    Es folgte ein kurzes Schweigen. »Es geht darum, was du nicht getan hast«, sagte Charlotte und legte auf.
    Charlottes Patientenakte lag in meiner Praxis, zehn Minuten Fahrzeit vom Kreißsaal entfernt. Als ich eintrat, hob meine Arzthelferin den Kopf. »Ich dachte, Sie wären bei einer Entbindung«, sagte sie.
    »Die ist vorbei.« Ich ging an ihr vorbei ins Archiv und holte Charlottes Akte hervor; dann stapfte ich wieder raus zu meinem Wagen.
    Ich setzte mich auf den Fahrersitz, die Akte auf dem Schoß. Du darfst nicht daran denken, dass es sich um Charlotte handelt , schärfte ich mir ein. Das ist einfach nur eine Patientin unter vielen. Aber ich brachte es nicht über mich, den Aktendeckel mit den bunten Reitern am Rand zu öffnen.
    Ich fuhr zu Robs Praxis. Er war der einzige Kieferorthopäde in Bankton und hatte demzufolge quasi das Monopol auf den Teenagermarkt; dennoch gab er sich große Mühe, den Kids den Zahnarztaufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. In einer Ecke der Praxis stand ein Rückprojektionsfernseher, auf dem gerade eine dieser typischen Teeniekomödien lief. Außerdem gab es noch einen Flipperautomaten und eine Spielkonsole. Ich ging zu Keiko, Robs Arzthelferin am Empfang. »Hi, Piper«, sagte sie. »Wow, ich glaube, wir haben Sie hier schon seit sechs Monaten nicht mehr gesehen …«
    »Ich muss zu Rob«, unterbrach ich sie. »Sofort.« Ich umklammerte die Krankenakte, die ich mir unter den Arm geklemmt hatte. »Bitte sagen Sie ihm, dass ich in seinem Büro auf ihn warte.«
    Im Gegensatz zu meinem Büro, das in Meeresfarben gestrichen und darauf ausgelegt war, eine Frau zu beruhigen, war Robs luxuriös, holzgetäfelt und gänzlich maskulin. Er hatte einen riesigen Schreibtisch, Regale aus Mahagoni und Drucke von Ansel Adams an den Wänden. Ich setzte mich auf seinen dick gepolsterten Lederstuhl und drehte mich einmal um die eigene Achse. In diesem Raum kam ich mir immer klein vor. Unbedeutend.
    Dann tat ich, was ich schon seit zwei Stunden tun wollte: Ich brach in Tränen aus.
    »Piper?«, sagte Rob, als er hereinkam und mich schluchzen sah. »Was ist denn los?« Sofort war er an meiner Seite. Er roch nach Zahnpasta und Kaffee, als er mich in die Arme nahm. »Was hast du?«
    »Ich bin verklagt worden«, brachte ich mühsam hervor. »Von Charlotte.«
    Er trat einen Schritt zurück. » Was? «
    »Kunstfehler. Wegen Willow.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Rob. »Du warst doch gar nicht bei der Entbindung dabei.«
    »Es geht darum, was vorher war.« Ich schaute auf die Krankenakte hinunter. Ich hatte sie auf den Schreibtisch gelegt. »Die Diagnose.«
    »Aber du hast es doch diagnostiziert. Und du hast sie sofort ans Krankenhaus überwiesen, kaum dass du es entdeckt hattest.«
    »Offensichtlich glaubt Charlotte, ich hätte es ihr früher sagen müssen … weil sie dann hätte abtreiben können.«
    Rob schüttelte den

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