Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
und in Streifen geschnitten. »Nein, diesmal sind es Fettuccine«, verkündete ich unbeeindruckt. »Du kannst den Tisch decken.«
Amelia steckte den Kopf in den Kühlschrank. »Schlagzeile: Wir haben keinen Saft mehr.«
»Wir trinken diese Woche Wasser. Das ist besser für uns.«
»Und deutlich billiger. Weißt du was? Nimm zwanzig Dollar von meinem Collegegeld und wirf es für Putenschnitzel raus.«
»Hm, was ist das für ein Geräusch?«, fragte ich, runzelte die Stirn und schaute mich um. »Oh … ja … so hört es sich an, wenn ich nicht lache.«
Bei diesen Worten huschte ein Lächeln über Amelias Gesicht. »Morgen sollten wir besser etwas Protein bekommen.«
»Erinnere mich daran, ein wenig Tofu zu kaufen.«
»Igitt!« Amelia stellte die Teller auf den Tisch. »Dann erinnere du mich daran, mich vor dem Abendessen umzubringen.«
Du bist in die Küche gekommen und hast dich auf deinen Hochstuhl gesetzt. Wir nannten ihn nicht Hochstuhl – du warst fast sechs und hast immer erklärt, dass du schon ein großes Mädchen seist –, aber ohne konntest du nicht an den Tisch heranreichen; du warst zu klein. »Um eine Milliarde Pfund Nudeln zu kochen, braucht man so viel Wasser wie für fünfundsiebzigtausend Swimmingpools«, hast du erklärt.
Amelia lümmelte sich auf den Stuhl neben dir. »Und um eine Milliarde Pfund Nudeln zu essen, musst du nur Mitglied der Familie O’Keefe sein.«
»Wenn ihr euch weiter so beschwert, koche ich morgen vielleicht ein Gourmetessen … Tintenfisch. Oder Haggis. Oder Kalbshirn. Das ist Protein, Amelia …«
»Vor langer Zeit war da dieser Kerl in Schottland, Sawney Beane; der hat Menschen gegessen«, hast du gesagt. »Tausend.«
»Glücklicherweise sind wir noch nicht ganz so verzweifelt.«
»Aber wenn wir das wären«, hast du gesagt, und deine Augen haben zu leuchten begonnen, »dann wäre ich knochenfrei .«
»Okay, es reicht.« Ich warf dir einen Haufen dampfende Nudeln auf den Teller. »Bon appétit.«
Ich schaute auf die Uhr. Es war zehn nach sechs. »Was ist mit Dad?«, las Amelia meine Gedanken.
»Wir werden auf ihn warten. Ich bin sicher, er kommt jeden Augenblick.«
Aber fünf Minuten später war Sean noch immer nicht da. Du bist nervös auf deinem Stuhl herumgerutscht, und Amelia stocherte in ihrem verklebten Haufen Nudeln herum. »Das Einzige, was noch schlimmer ist als Pasta, ist eiskalte Pasta«, murmelte sie.
»Esst«, sagte ich, und du und deine Schwester habt euch wie Wölfe auf euer Essen gestürzt.
Ich starrte auf meinen eigenen Teller; mir war der Appetit vergangen. Nach ein paar Minuten habt ihr eure Teller zur Spüle gebracht. Der Klempner kam wieder herunter, erklärte, dass er fertig sei, und legte die Rechnung auf die Arbeitsplatte. Dann klingelte das Telefon, zweimal, und eine von euch hob ab.
Um sieben Uhr dreißig rief ich Sean auf dem Handy an, und sofort sprang die Voicemail an.
Um acht warf ich mein kaltes Essen in den Müll.
Um acht Uhr dreißig steckte ich dich ins Bett.
Um acht Uhr fünfundvierzig rief ich auf dem Revier an. »Charlotte O’Keefe hier«, meldete ich mich. »Wissen Sie, ob Sean heute noch eine Schicht übernommen hat?«
»Er ist um Viertel vor sechs gegangen«, sagte der Beamte.
»Oh … ja … natürlich«, erwiderte ich, als hätte ich das schon die ganze Zeit gewusst, denn ich wollte nicht, dass der Beamte mich für eine dieser Ehefrauen hielt, die nicht wussten, wo ihr Mann war.
Um sechs nach elf saß ich im Dunkeln auf der Wohnzimmercouch und überlegte gerade, wie weit unsere Familie schon auseinandergefallen war, als die Haustür plötzlich vorsichtig geöffnet wurde. Sean schlich auf Zehenspitzen in den Flur, und ich schaltete die Lampe neben mir ein. »Wow«, sagte ich. »Der Verkehr muss wirklich furchtbar gewesen sein.«
Er erstarrte. »Du bist noch auf.«
»Wir haben mit dem Abendessen auf dich gewartet. Dein Teller steht noch auf dem Tisch, falls du auf versteinerte Fettuccine stehst.«
»Ich bin nach meiner Schicht mit ein paar Jungs zu O’Boys gegangen. Ich wollte anrufen …«
»… aber du wolltest nicht mit mir sprechen«, beendete ich den Satz für ihn.
Er trat näher, sodass ich sein Aftershave riechen konnte. Süßholz und eine Spur Rauch. Ich hätte ihn jederzeit mit verbundenen Augen unter anderen Leuten erkannt. Aber jemanden identifizieren zu können ist etwas anderes, als jemanden durch und durch zu kennen. Der Mann, in den ich mich vor Jahren verliebt hatte, mochte ja
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