Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
noch genauso reden und riechen, schien sich aber vollkommen verändert zu haben.
Ich nahm an, Sean konnte das Gleiche über mich sagen.
Er setzte sich mir gegenüber auf einen Stuhl. »Was möchtest du von mir hören, Charlotte? Soll ich dich anlügen und sagen, dass ich abends gerne nach Hause komme?«
»Nein.« Ich schluckte. »Ich will … Ich will nur, dass alles wieder so ist wie früher.«
»Dann hör auf«, sagte er leise. »Vergiss einfach, was du angefangen hast.«
Wenn man die Wahl hat, ist das eine seltsame Sache. Frag mal einen Eingeborenenstamm, der immer nur Gräser und Wurzeln gegessen hat, ob er unglücklich ist, und alle werden nur mit den Schultern zucken. Dann gib ihnen Filet Mignon und Trüffelsoße und sag ihnen anschließend, sie sollen wieder von Gräsern und Wurzeln leben; sie werden ständig an die Gourmetmahlzeit denken. Wenn man die Alternative nicht kennt, kann man sie auch nicht vermissen. Marin Gates hatte mir einen goldenen Weg gezeigt, an den ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht hätte, und nun, da ich ihn kannte, wie sollte ich ihn da nicht gehen? Wenn ich jetzt kehrtmachte, würde ich bei jedem künftigen Knochenbruch und bei jedem Dollar, um den wir uns weiter verschuldeten, daran denken, dass alles anders hätte sein können.
Sean schüttelte den Kopf. »Das habe ich mir gedacht.«
»Ich denke an Willows Zukunft …«
»Und ich denke an das Hier und Jetzt. Geld ist ihr scheißegal. Für sie zählt nur, dass ihre Eltern sie lieben; aber das ist nicht die Botschaft, die sie in diesem verdammten Gerichtssaal hören wird.«
»Dann sag es mir, Sean. Wie sieht deine Lösung aus? Sollen wir einfach rumsitzen und hoffen, dass Willow sich keine Knochen mehr bricht? Oder dass du …?« Ich verstummte.
»Dass ich was? Dass ich einen besseren Job bekomme? Dass ich in der verdammten Lotterie gewinne? Warum sagst du es nicht einfach, Charlotte? Du glaubst, dass ich nicht für euch sorgen kann.«
»Das habe ich nie gesagt …«
»Das musst du auch gar nicht. Das war auch so klar und deutlich«, erwiderte er. »Früher hast du immer gesagt, dass du dich fühlst, als hätte ich dich und Amelia gerettet; aber auf lange Sicht habe ich euch offenbar im Stich gelassen.«
»Es geht hier nicht um dich. Es geht um unsere Familie.«
»Die du zerreißt. Mein Gott, Charlotte, was, glaubst du, sehen die Leute, wenn sie dich heute anschauen?«
»Eine Mutter«, antwortete ich.
»Eine Märtyrerin «, korrigierte mich Sean. »Niemand ist so gut wie du, wenn es darum geht, sich um Willow zu kümmern. Du traust niemandem zu, es richtig zu machen. Siehst du denn nicht, wie bescheuert das ist?«
Mir schnürte sich die Kehle zu. »Bitte entschuldige, dass ich nicht perfekt bin.«
»Nein«, sagte Sean. » Das erwartest du nur von uns anderen.« Mit einem Seufzer ging er zum Kamin, wo Kissen und Quilt sorgfältig gestapelt lagen. »Wenn es dir jetzt nichts ausmacht … Du sitzt auf meinem Bett.«
Es gelang mir, mein Schluchzen zu unterdrücken, bis ich oben war. Ich legte mich auf Seans Seite der Matratze und versuchte, die Stelle zu finden, wo er geschlafen hatte. Ich drückte mein Gesicht in das Kissen, das noch nach seinem Shampoo roch. Zwar hatte ich die Bettwäsche gewechselt, seit er auf die Couch gezogen war; aber den Kissenbezug hatte ich nicht gewaschen … und nun fragte ich mich, warum. Damit ich so tun konnte, als wäre er noch da? Damit ich noch etwas von ihm hatte, falls er gar nicht mehr zu mir zurückkehrte?
An unserem Hochzeitstag hatte Sean mir gesagt, dass er sich sogar einer Kugel in den Weg werfen würde, um mich zu beschützen. Ich wusste, er hatte von mir gewollt, dass ich etwas Ähnliches sage, aber ich konnte nicht. Ich musste mich um Amelia kümmern. Andererseits, wenn diese Kugel auf Amelia zugeflogen wäre, ich hätte nicht einen Augenblick lang gezögert.
Machte mich das zu einer sehr guten Mutter oder zu einer sehr schlechten Ehefrau?
Aber das hier war keine Kugel, und auf uns war auch nicht geschossen worden. Das hier war ein heranrasender Zug, und um meine Tochter zu retten, musste ich mich auf die Gleise werfen. Es gab da nur ein Problem: Meine beste Freundin war an mich gekettet.
Es war eine Sache, das eigene Leben für einen anderen Menschen zu opfern. Es war jedoch etwas vollkommen anderes, Dritte mit reinzuziehen … Dritte, die einen kannten und einem bedingungslos vertrauten.
Es hatte alles so einfach ausgesehen: ein Prozess, in dem
Weitere Kostenlose Bücher