Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
die Abnormitäten ignoriert. Sie wurden unsichtbar. Die Dorfbewohner nahmen sie wie Geister war, die nur sichtbar wurden, wenn sie magische Gegenstände in der Hand hielten wie Geld, Gold oder interessante Waren. Wenn diese nicht mehr Thema waren, verschwanden die Geister auf eine andere Existenzebene und wurden für sie unsichtbar. Wo sich andere diskriminiert gefühlt hätten, empfand Zorghk Wohlwollen. Genau so wollte er es haben und nicht anders. Niemand stellte Fragen, niemand erzählte herum, dass ein Airen in dem östlichen Teil des Dunkelwaldes gezogen war. So erfuhr niemand, dass er noch am Leben war und vor allem nicht wo er sich befand. Einer der Gründe, warum er sein Heim eben hier errichtet hatte.
Es war ein Heim, auch wenn dort, wo Stein hätte sein sollen, sich Holz befand. Auch wenn sich jede Faser seines Körpers nach dem harten Gestein seiner Heimat sehnte, war dieses Holz, umgeben von noch mehr Holz, einem Zuhause am nächsten, an das er seit Jahren gekommen war und vielleicht je wieder kommen würde. Das Teffelof Gebirge war in jener Nacht für immer ein Tabu geworden, als ein nie ausgesprochenes, aber dafür umso endgültigeres Exil über ihn verhängt worden war. Der Airen, der sonst immer allem und jedem widersprach, konnte sein Schicksal nur stillschweigend akzeptieren, denn er wusste, er hatte es verdient.
Serena wurde ein Teil dieses kleinen Zuhauses, wie Zorghk ein großer Teil ihrer Welt wurde. Sie wusste nicht, wieso Zorghk damals auf sie zugekommen war. Sie fragte auch nie. Es war einfach so. Zorghk nahm das riesige Loch ein, welches das Verschwinden ihres Vaters hinterlassen hatte, und ließ es durch seine breite, kugelige Gestalt kleiner wirken.
Zorghk brachte Serena alles Mögliche bei. Das Lesen und Schreiben in der Airen Sprache, viel über die Geschichte der Landen, von den unterschiedlichen Völkern, Rassen, ihren Traditionen, der Flora und Fauna, Mythologien, Sagen und Legenden. Er zeigte ihr auch, wie sie in der Wildnis überleben konnte, wie man sich im Wald orientierte und lehrte sie Selbstverteidigung und den Umgang mit verschiedenen Waffen. In Letzterem zeigte Serena die meiste Begabung. Sie behielt auch all das Wissen, das er ihr beibrachte, sog es wie ein Schwamm in sich auf, als wolle sie damit eine Leere in ihrer Seele füllen. Doch obwohl sie alles gleich nach dem ersten Mal Durchlesen behielt, schien etwas falsch zu laufen. Sie war wie ein Ding, das Informationen in sich speicherte und dieses Wissen abrief, wenn es die Situation verlangte. Sonst tat sie nichts.
Sie schien die Ideen und Theorien aufzunehmen, aber nicht fähig zu sein, etwas weiterzuentwickeln oder einer Situation angepasst das Wissen übergreifend anzuwenden. Für sie waren alles Fakten, die sie sich merkte. Nicht mehr und nicht weniger. Dinge die sie nicht verstand, wurden zwar wahrgenommen, jedoch fallen gelassen, wenn sie für Serena keinen Sinn ergaben. Aber was hätte Zorghk anderes erwarten können? Äußerlich erinnerte alles an ihren Vater, innerlich schien ein dunkles und tiefes Nichts zu sein, wie bei ihrer Mutter.
…
Zorghk hatte schon aufgeben wollen. Dieses schwarze Loch schien alles zu verschlingen, dass er ihm anbot, aber nichts zu erschaffen. Als wäre es Serena nicht gegeben, Dinge oder Ideen zu entwickeln. Frustriert von dem Gefühl seine Zeit zu verschwenden und der Angst, eine kalte Kampfmaschine zu erschaffen, verlor er eines Tages die Beherrschung. Innerlich aufgefressen von der jahrelangen vergeblichen Suche nach etwas, das Serena von ihrer Mutter unterschied und dem Frust nach all der Zeit nichts finden zu können, ging er zu weit. Er würde es sich selbst und nie jemand anderem je eingestehen, aber er ging zu weit.
Bei einer von vielen Übungsstunden kamen seine Angriffe immer schneller, immer härter, als hätte er einen ausgewachsenen Troll vor sich und kein kleines neunjähriges Mädchen. Seine Hiebe hätten viele erfahrenere und fäh igere Männer zu Boden geschickt. Doch Serena war schnell und wendig, duckte sich unter den Schlägen durch, sprang zur Seite, rannte mit ihren kurzen Beinen aus der Reichweite des hölzernen Schwertes. Sie schaffte es sogar einige Schläge zu parieren, wenn ihre Arme auch unter dem Aufprall zitterten.
So schnell sie auch war, so wendig sie auch war, sie war doch nur ein neunjähriges Mädchen und ihr Körper wurde bald lan gsamer, ihre Bewegungen steifer, ihre Hände klamm und zittrig unter den Anstrengungen. Dann kam das Schwert mit
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