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Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Titel: Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabina Schneider
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Ohne weiter darüber nachzudenken, erklomm auch Serena weiter das Mauerwerk.
    Nicht weit von der Stadtmauer lag das Holzhaus mit dem Fass an der Wand, über dem der rostige Spiegel nach neun Jahren immer noch hing, obwohl ihn keiner mehr benutzte. Serena steuerte es wie jeden Abend an. Wo sollte es sich auch sonst befinden? Die gut betuchten Bürger hatten in der Mitte des Dorfes ihre Häuser. Das Zentrum Krems bildete der Marktplatz, neben dem das Haus der Obersons lag, das man , ohne rot zu werden, als Anwesen bezeichnen konnte. Je weiter außen und näher an der Stadtmauer ein Haus lag, desto kleiner und unscheinbarer wurden der Garten, das Dach, die Fenster und Türen.
    Am äußersten Kreis fand man ein einzelnes viereckiges Haus, mit einem Strohdach, einem kleinen kargen Vorgarten, einer Holztür, einem kleinen Fenster und einem Fass, über dem ein verrosteter Spiegel angebracht war. Das war Serenas Zuhause. Hier lebte sie mit ihrer Mutter, im ärmlichsten Haus des Dorfes. Sehr passend, da sie auch die ärmste Familie im Dorf waren. Wenn man sie denn als Familie bezeichnen wollte.
    In wenigen Schritten hatte Serena die Tür des kleinen Hauses erreicht, die immer nur angelehnt war, und trat hindurch. Wenn sie versucht hätte leise zu sein, hätte sie vermutlich umso mehr Lärm gemacht, denn es krachte und knarrte an jeder Ecke und jede Diele hatte ihre eigene Melodie. Ihre Mutter war wieder beim Nähen über dem kleinen und einzigen Tisch eingeschlafen, der in diesem Haushalt zu finden war. Die Kerze, die neben ihr stand, war bis zum Docht heruntergebrannt. Serena trat an die schlafende Frau heran und betrachtete ihre Züge im Mondlicht, das durch das Fenster in das kleine nur sehr spärlich eingerichtete Zimmer fiel.
    Jeder hätte sie als wunderschön bezeichnet, auch in ihrem schlichten Kleid aus grober Schafwolle, das ausgeblichen von der Sonne und vom Waschen bereits hier und da ausgebessert worden war. Sie war klein und zierlich, ihr Haar war wie immer zu einer einfachen Frisur hochgesteckt. Ein paar kleine wilde Locken, die sich nicht bändigen ließen, hingen ihr ins Gesicht, das selbst im Schlaf ausdruckslos und wie aus Marmor gemeißelt wirkte.
    Serena hob ihre Mutter aus dem Stuhl und wunderte sich nicht, wie leicht sie war. Bereits mit zwölf hatte Serena genug Kraft, um sie hochzuheben. Ob es nun an dem Training mit Zorghk lag oder daran, dass der Körper dieser Frau, die man so gut wie nie essen sah, einfach so leicht wie eine Feder war, sei dahingestellt. Häufig saß Alara Tage und Nächte da, ohne zu essen, und konzentrierte sich völlig auf das, was vor ihr lag. Meist waren es Näharbeiten, um die man sie gebeten hatte und für die sie in keiner Weise angemessen bezahlt wurde.
    Ebenso verhielt es sich mit ihren Diensten als Hebamme und Kräuterfrau. Obwohl es Alara schon einige Male gelungen war, bereits dem Tode Geweihte ins Leben zurückzuholen, bekam sie selten Dank und noch seltener eine Entlohnung. Nach einer solchen Behandlung wirkte Alara immer müde, dünner und noch zerbrechlicher als sonst. Manchmal lag sie danach tagelang bewegungslos im Bett. Bei solchen Gelegenheiten ließ Serena sowohl den Dorfunterricht als auch das Training mit Zorghk ausfallen. Sie saß dann stundenlang neben ihrem Bett und ging immer wieder ganz nahe mit dem Ohr an die Brust ihre Mutter, die sich kaum merklich hob und senkte, um zu hören, ob ihr Herz noch schlug.
    Alara verlangte für ihre Dienste keine Bezahlung und nur die Wenigsten fühlen sich verpflichtet, jemandem, der kein Geld verlangt, welches zu geben. Die Dorfbewohner in Krem waren nicht geizig. Sie mochten Geld einfach nur. Vor allem wenn es sich in ihrer eigenen Tasche befand. Anfangs brachte man Alara für ihre Wunderheilungen Angst, Respekt und manchmal auch Dankbarkeit entgegen. Als aber mit dem Ausbleiben der Dankesgeschenke auch die Folgen ausblieben, sprach sich das herum und ihre Dienste wurden zur Selbstverständlichkeit. Das Gefühl der Dankbarkeit war nur bei den Patienten, die dem Tode nahe gewesen waren und ihren Angehörigen zu finden. Doch auch dieses lösten sich bald dank Alaras ausdruckslosem Gesicht und ihrem kalten Wesen in Nichts auf und verwandelten sich nicht selten in Angst und Abneigung.
    Alara sprach nur selten und nur, wenn es unbedingt notwendig war. Sie grüßte nie Nachbarn oder Bekannten auf dem Markt, obwohl man bei der überschaubaren Einwohneranzahl jeden mit Vor-, Nach- und Vaternamen kannte. Keiner im Dorf hatte

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