Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
sie je lächeln oder weinen gesehen. Eine unnahbare kalte Schönheit. Das war Serenas Mutter.
…
Es hatte damals viel Aufsehen erregt, als das schöne Paar nach Krem gezogen war. Der Mann feurig, leidenschaftlich, mit offenem Wesen, das alle sofort für sich begeistern konnte und die wunderschöne Frau, deren Haar golden warm in der Sonne leuchtete, die sich ihrer Umgebung jedoch kühl und desinteressiert zeigte. Ihr Leib war gerundet und es schien schon bald eine Niederkunft in dem kleinen Häuschen bevorzustehen, das der Mann mit seinen eigenen Händen in Windeseile erbaut hatte.
Während der Geburt hörte man keine Schreie, nicht einmal ein Stöhnen. Erst als der Vater selbst dem Neugeborenen einen Klaps auf den Rücken gab, war ein leiser einzelner Schrei zu vernehmen. Danach herrschte wieder Stille. Hätte der Vater am nächsten Tag seinen Nachbarn nicht stolz das Mädchen präsentiert, eine kleine Kopie seiner selbst, wäre niemandem Serenas Geburt aufgefallen. Vermutlich nicht mal ihrer eigenen Mutter.
Was jedoch der Mutter an Wärme fehlte, machte der Vater wett, sodass den Dorfbewohnern die Eisesskälte der Frau zunächst nicht auffiel. Er hatte genug Wärme für alle. Wenn die Sonne am Himmel schien, vermisste niemand den Mond. Erst nachdem die Sonne schlafen gegangen war, fiel auf, dass der Himmel schwarz und leer war, dass es keinen Mond und keine Sterne gab. Solange Tag herrschte, nahmen die Dorfbewohner die kleine Familie herzlich in ihren Reihen auf. Obwohl sie arm waren, wurden sie geachtet, ja sogar geliebt. Der Mann war kräftig und sich für keine Arbeit zu schade. Er nahm seine kleine Tochter überall mit hin und strahlte so sehr, dass nicht auffiel, dass die Mutter nie das Haus verließ. Wenn es doch einem aufmerksamen Nachbarn auffiel, schob man das auf ein körperliches Unwohlsein.
Als das kleine Mädchen, dem man den Namen Serena gegeben hatte, gerade laufen konnte, wurde ihr Vater zum Aufsichtsmeister beordert und für den Anbau des Hauses angestellt. Der Anbau war für die kleine Tochter der Obersons bestimmt. Laura zog mit ihren winzigen Fingerchen in der Familie bereits die Fäden im Hintergrund. Ihr Vater war vernarrt in sie und hätte alles für sein kleines Mädchen getan. Er hätte ihr die Sterne vom Himmel geholt, wenn sie ihn darum gebeten hätte.
Sieran Flügelschlag, wie er sich den Dorfbewohnern vorgestellt hatte, nahm seine kleine Tochter mit zur Arbeit. Das kleine schwarzhaarige Mädchen mit den blauen Augen wirkte befremdlich auf die Dorfbewohner. Es weinte und schrie nicht, lachte aber auch nie. Nicht einmal die Spur eines Lächelns fand man auf den immer gleichbleibenden Zügen des sonst so bezaubernden Engelsgesichts. Doch die kleine Laura schien etwas in Serena zu sehen, das den anderen verborgen blieb. Vom ersten Augenblick an vergötterte das kleine Mädchen Serena, das sonst immer vergöttert wurde, lief ihr überallhin nach, griff immer wieder nach ihren kalten Händchen.
Serena zeigte keinerlei Interesse an dem blonden Mädchen. Meist saß sie nur da und starrte in Richtung ihres Vaters und saugte all seine Bewegungen in sich auf. Sie beachtete Laura nicht. Das war neu für die kleine Prinzessin und sie begann, um Serenas Aufmerksamkeit zu buhlen. Die kleine Laura brachte Serena ihre schönsten Spielzeuge, streckte ihr einen Teil ihrer Süßigkeiten hin und wurde doch nicht beachtet. Als das alles nichts half und Serena sie immer weiter ignorierte, füllten sich die Augen der Kleinen mit Tränen und sie weinte herzzerreißend.
Da schaute die kleine Serena sie zum ersten Mal an. Sah ihr tief in die Augen und ihr Blick schien bis zu Lauras Seele vorzudringen. Was sie dort sah, schien ihr zu gefallen, denn sie schaute nicht mehr weg. Jetzt da Laura Serenas Aufmerksamkeit hatte, um die sie so tapfer gekämpft hatte, hätte man glauben können, sie würde sich dem nächsten interessanten glänzenden Etwas zuwenden, das ihr vor die Füße fiel. Dem war aber nicht so. Ihr Interesse wuchs. Nicht wenig schüchtern nahm sie Serenas Hand und lächelte sie warm an. Ihre großen grünen Augen sprühten vor Glück.
Fasziniert von den tanzenden Lichtern in Lauras Augen, hatte Serena nichts dagegen, als Laura sich neben sie setzte und sie umarmte. Ein Band war zwischen den Kindern geknüpft worden, das ihr beider Leben verändern würde. Mit wohlwollendem Blick bedachten beide Väter ihre Kinder und schauten dann sich an. Merez Oberson hatte nichts gegen eine Freundschaft
Weitere Kostenlose Bücher