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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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böser Traum. Es war erst drei Monate her, doch schon konnte er sich kaum noch an die richtige Reihenfolge der Ereignisse erinnern.
    Auch das Wetter machte das Ganze so verworren. Damals war es kalt und stürmisch gewesen, die See rauh bis zum Aufkommen des Nebels, der wie durch ein Wunder rechtzeitig erschienen war. Jetzt herrschte drückende Hitze, die Sonne brannte erbarmungslos, und von Wind keine Spur. Der Rumpf der Trojan knarrte vor Trockenheit, das Pech in den Decksnähten glänzte feucht, klebte an den Schuhsohlen und an den nackten Füßen der Seeleute.
    Cairns betrachtete Bolitho nachdenklich und stellte fest, daß er sich erheblich verändert hatte. Er war mit den beiden Prisen als ein anderer Mann nach New York zurückgekehrt. Irgendwie schien er reifer, und ihm fehlte der jugendliche Optimismus, der ihn früher ausgezeichnet hatte.
    Die Ereignisse, die ihn so verändert hatten, vor allem Sparkes schrecklicher Tod, waren selbst am Kommandanten nicht spurlos vorübergegangen.
    Cairns fand die Gläser und sagte: »Rotwein, Dick, und warm, aber besser als nichts. Ich habe ihn bei einem Händler an Land gekauft.«
    Bolitho neigte den Kopf, die Locke klebte an seiner Stirn und verbarg die schreckliche Narbe. Trotz des Dienstes in diesen Gewässern war er blaß, und das Grau seiner Augen wirkte wie der Winter, den sie gerade hinter sich gebracht hatten.
    Bolitho merkte, daß er beobachtet wurde, aber das war er schon gewohnt. Wenn er sich verändert hatte, so auch seine Umgebung mit ihm. Durch Sparkes Tod waren die Offiziere eine Sprosse der Beförderungsleiter höhergestiegen. Bolitho war jetzt Dritter Offizier, und der am unteren Ende freigewordene Posten war von Libby besetzt worden. Dieser war also jetzt Sechster Offizier der Trojan, unter dem Vorbehalt, daß er später sein Examen bestand. Der Altersunterschied zwischen dem Kommandanten und seinen Offizieren war jetzt erheblich. Bolitho wurde im Oktober erst einundzwanzig, die anderen waren noch jünger, Libby sogar erst siebzehn.
    Dies war ein allgemein geübtes System an Bord der größeren Schiffe, aber Bolitho fand wenig Trost in seiner Beförderung; allerdings hielten die neuen Aufgaben ihn ständig in Atem und drängten somit die bösen Erinnerungen in den Hintergrund.
    Cairns sagte unvermittelt: »Der Captain möchte, daß Sie ihn he ute abend auf das Flaggschiff begleiten. Der Admiral hält Hof. Es wird erwartet, daß die Kommandanten ein oder zwei Adjutanten mitbringen.« Er schenkte nach, sein Gesicht blieb unbeteiligt. »Ich habe zu arbeiten, muß die verdammten Proviantlisten fertigmachen.
    Außerdem liegt mir nicht viel an leerem Geschwätz, besonders jetzt, da die ganze Welt auseinanderbricht.«
    Er äußerte das so bitter, daß Bolitho unwillkürlich fragte: »Bedrückt Sie etwas Besonderes?«
    Cairns zeigte sein seltenes Lächeln. »Alles! Ich bin krank vor Untätigkeit. Listen schreiben, neues Tauwerk oder neue Spieren anfordern, während alles, was diese Halsabschneider an Land von einem wollen, nichts anderes ist als Geld und nochmals Geld.«
    Bolitho dachte an die beiden Prisen, die er nach New York gesegelt hatte. Sie waren zum Prisenhof geschafft, verkauft und wieder in Dienst gestellt worden, beinahe schneller, als des Königs Flagge an Bord gehißt werden konnte.
    Nicht ein einziger vo n den Leuten der Trojan wurde auf die Prisen versetzt; der Offizier, der das Kommando über die Faithful erhielt, war erst vor ein paar Wochen aus England gekommen. Es war unfair, gelinde ausgedrückt, und offensichtlich eine Enttäuschung für Cairns. In achtzehn Monaten wurde er dreißig. Der Krieg konnte bis dahin vorüber sein, dann wurde er mit Halbsold an Land geschickt: keine erfreuliche Aussicht für einen Mann, der mittellos und nur auf seinen Sold angewiesen war.
    »Jedenfalls«, Cairns lehnte sich zurück und blickte Bolitho an, »hat der Captain klar zum Ausdruck gebracht, daß er lieber Sie als Begleiter beim Admiral haben will als unseren Zechbruder, den Zweiten Offizier!«
    Bolitho lächelte. Es war erstaunlich, daß Probyn sich noch immer halten konnte. Gewiß, er hatte Glück, daß die Trojan nach ihrer Rückkehr kaum wieder auf See gewesen war. Zwei kurze Patrouillen zur Unterstützung der Armee und, mit dem Flaggschiff zusammen, eine Schießübung in Sichtweite von New York, das war alles.
    Denn noch ein paar heftige Stürme auf See, und Probyns Schwäche wäre offenbar geworden.
    Bolitho stand auf. »Dann ist es wohl besser, wenn

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