Zerfetzte Flaggen
bald ausgetauscht!«
Huyghue mußte wohl bis zum letzten Augenblick an Rettung geglaubt haben. Jetzt versuchte er, ins Wasser zu laufen, und als ein Soldat ihn am Arm ergriff, fiel er auf die Knie und rief schluchzend: »Helft mir doch, laßt mich nicht zurück, bitte, helft mir!«
Selbst der Oberst schien von des Jungen Verzweiflung gerührt; trotzdem bedeutete er den Soldaten, ihn wieder den Strand hinauf zu bringen.
Bolitho und seine Gefährten wandten sich um und gingen zum Fort zurück; Huyghues verzweifelte Schreie folgten ihnen wie ein Fluch.
Die Fregatte hatte ziemlich weitab vom Land geankert, ihre Segel waren aufgegeit, und bereits strebten Boote der Insel zu.
Die kleinere Spite segelte näher heran, die Lotgasten lagen im Netz unter dem Klüverbaum und hielten Ausschau nach Riffen oder Sandbänken.
Die Schiffe sahen so sauber, so fern aus, daß Bolitho sich plötzlich vom Land angewidert fühlte, von dem schweren Geruch des Todes, der sogar noch den des nächtlichen Feuers überlagerte.
Quinn stand am Tor und studierte Bolithos Gesicht, als dieser wieder zu den anderen zurückkehrte.
»Ihr habt ihn zurückgelassen?«
»Ja.« Bolitho blickte ihn ernst an. »Ich hatte keine andere Wahl.
Wenn wir ihn gegen diesen Gefangenen ausgetauscht hätten, wäre es sinnlos gewesen, überhaupt hierher zu kommen.« Er seufzte.
»Aber ich werde sein Gesicht so bald nicht vergessen.«
Paget blickte auf die Uhr. »Die ersten Verwundeten hinunter zum Strand!« Er blickte Bolitho an. »Meinen Sie, daß die Burschen noch einen Angriff versuchen werden?«
Bolitho hob die Schultern. »Unsere Schwenkgeschütze könnten sie jetzt bei Tageslicht in Schach halten, Sir, aber es würde uns die Arbeit nicht gerade erleichtern.«
Paget blickte auf, als noch mehr Jubelrufe vor dem Fort ertönten.
»Einfache Seelen.« Er wandte sich ab. »Gott segne sie!«
Ein Marineinfanterist kam die Leiter vom Wall herabgeeilt. »Mr.
Raye hat Soldaten und Artillerie auf dem Hügel gesichtet, Sir.«
Paget nickte. »Richtig. Wir müssen uns beeilen. Signal an Spite: schleunigst ankern und die Boote schicken.« Während Quinn mit dem Soldaten zum Turm eilte, fügte Paget, zu Bolitho gewandt, hinzu: »Das wird heiße Arbeit für Sie, fürchte ich, aber was auch geschieht, jagen Sie auf jeden Fall das Magazin in die Luft!«
»Was wird mit den Gefangenen, Sir?«
»Wenn Platz und Zeit reichen, lasse ich sie auf die Fregatte bringen.
« Er verzog den Mund zu einem verkniffenen Grinsen. »Wenn ich als Nachhut zurückbliebe, würde ich sie mit dem Magazin zusammen hochgehen lassen, diese verdammten Rebellen. Aber da Sie die Nachhut führen, bleibt es Ihnen überlassen.«
Die Boote der Vanquisher waren inzwischen am Strand, Seeleute hoben bereits die Verwundeten an Bord und schienen entsetzt über die geringe Zahl der Überlebenden.
Nun kamen auch die Boote der Spite und übernahmen Verwundete, um sie in Sicherheit und ärztliche Obhut zu bringen.
Bolitho stand auf dem Wall oberhalb des Tores, das Stockdale in dieser ersten, furchtbaren Nacht, als Quinn die Nerven verlor, geöffnet hatte.
Das Fort wirkte schon leerer, nur unten bei den beiden Geschützen am Damm sah er noch eine kleine Gruppe von Rotröcken.
Sobald er den Befehl zum endgültigen Rückzug gab, würden Sergeant Shears und seine Leute an den Geschützen befestigte Zündschnüre in Brand setzen. Zwei kräftige Sprengladungen sollten dann die Kanonen unbrauchbar machen.
Bolitho überlegte. ob man in England jemals von all diesen Ereignissen erfahren würde, von all den kleinen, aber tödlichen Aktionen, die das Ganze ausmachten. Wenig wurde über die wirklichen Helden geschrieben, dachte er. Über die einsamen Männer der Angriffsspitze oder diejenigen, die zurückgelassen wurden, um einen Rückzug zu decken. Sergeant Shears mochte im Augenblick vielleicht dasselbe denken.
Plötzlich gab es einen lauten Knall, dem ein heulender Orgelton folgte, als eine schwere Kanonenkugel über ihre Köpfe flog und sich dann mit Wucht in den Sand bohrte.
Fähnrich Couzens deutete auf den Steilhang jenseits des Wassers: »Sehen Sie, Sir? Dort, der Rauch! Sie haben oben die erste Kanone abgefeuert!«
Bolitho musterte ihn. Couzens sah blaß und kränklich aus. Es würde wohl einige Zeit dauern, bis er sich von den Schrecken des nächtlichen Kampfes erholt hatte.
»Melden Sie es dem Major. Er wird es sicher schon wissen, aber sagen Sie es ihm trotzdem.« Als Couzens zur Leiter lief, fügte
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