Zero Day
wünscht sich nichts sehnlicher als eine neue Gelegenheit, der Armee zu beweisen, wie falsch es war, ihn zu feuern. Und genau darum habe ich ihm diese Chance gegeben.«
»Falls es ihn das Leben kostet, diese zweite Chance wahrzunehmen, zahlt er einen hohen Preis.«
»Bei einer zweiten Chance ist es meistens so, dass man sie nicht einfach so bekommt. Aber in der überwiegenden Zahl der Fälle ist sie es wert.«
»Glauben Sie, er wusste, dass Treadwell und Bitner schon mausetot waren, als er ins Haus der Halversons schlich?«
»Vielleicht hat er es sich gedacht. Ich vermute, er hat bei ihnen angerufen und niemanden erreicht. Er ging hin, aber es wurde nicht geöffnet. Das Haus lag im Dunkeln. Deshalb konnte er die Toten durchs Fenster nicht sehen. Und es gab ja keine Anzeichen gewaltsamen Eindringens.«
»Und wie müssen wir sein Verhältnis zu Treadwell betrachten? Sie kannten sich doch nicht nur über den Harley-Club. Er hat doch offensichtlich Manschetten.«
»Sieben Menschen sind ermordet worden. Da versteht es sich von selbst, dass ihn Beklommenheit packt. So wie jeden.«
65
Nachdem sie und Puller verabredet hatten, sich später erneut zu treffen, fuhr Cole zum Polizeirevier, um überfälligen Papierkram aufzuarbeiten. Puller nahm den eigenen Dienstwagen. Doch schon drei Minuten später suchte er sich einen Parkplatz und tippte eine Rufnummer ins Handy.
»Mason«, meldete sich eine Stimme.
»Hallo, Agent Mason, hier ist John Puller.« Er hörte Masons Sessel knarren; vermutlich lehnte er sich zurück. Während ringsum die Welt ihren normalen Lauf nahm, arbeitete Mason an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr, um sie vor Gräueln zu beschützen.
»Ich bin froh, dass Sie anrufen. Wir haben erneut Funkverkehr aufgeschnappt und zusätzliche Erkenntnisse gewonnen. Beides zusammen hebt die Angelegenheit auf eine völlig neue Prioritätsstufe.«
»Zu welchen weiteren Einsichten sind Sie gelangt?«
»Wir haben noch einen mit KGB -Code verschlüsselten Funkspruch im Dari-Dialekt aufgefangen. Irgendein islamisches Geschnatter über den großen und barmherzigen Allah. Hat mich nicht sonderlich aufgeregt. Was mich aufgeregt hat, waren Zahlen.«
»Was für Zahlen?«
»Ein Datum, Puller. Sie haben den Tag X genannt. Glauben wir wenigstens.«
»Und wie lautet das Datum?«
»Es wird Ihnen wenig gefallen, und mir behagt es ganz gewiss nicht. Heute in drei Tagen.«
»Was sind das für ›zusätzliche Erkenntnisse‹, die Sie angesprochen haben? Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, was geplant ist?«
»Ja, dieses Rätsel ist inzwischen gelöst. Es ist erschreckend. Durch Drake verläuft eine Ferngasleitung. Sie führt durch den nordwestlichen Teil des Countys. Ursprünglich haben wir uns nichts dabei gedacht. Gasleitungen bieten sich für Anschläge als Ziele geradezu an, sind aber nicht beliebt, weil das Potenzial menschlicher Opfer begrenzt ist. Diese Gasleitung liefert Erdgas in drei Bundesstaaten: West Virginia, Kentucky und Ohio. Die Pipeline gehört einem kanadischen Unternehmen, wird allerdings von einer amerikanischen Firma betrieben, Trent Exploration. Aus Ihren bisherigen Darstellungen weiß ich, dass Sie schon mit Roger Trent zu tun hatten, richtig?«
»Stimmt.« Pullers Gedanken rasten. »Halten Sie es für denkbar, dass jemand bei der Firma Trent in die Sache verwickelt ist?«
»Zurzeit schließe ich keine Möglichkeit aus.«
»Aber wie leicht oder schwierig ist es, die Gasleitung zu sabotieren? Und falls sie gesprengt wird, wie viel Schaden entsteht dadurch?«
»Es käme zu erheblichem Sachschaden, aber er wäre zu verkraften. Zudem würde die Gaslieferung unterbrochen. Für Terroristen ist so was nicht allzu attraktiv. Sie wollen Leichenteile an Bäumen hängen sehen, keine Beschwerden von Gaskunden provozieren, deren Herd nicht funktioniert. Und in der dortigen Gegend stehen ausreichend Feuerwehreinsatzkräfte zur Verfügung, die Schäden an der Leitung beheben und die Lage bereinigen können.«
»Was wollen Sie mir damit sagen? Ist die Gasleitung das Ziel, oder ist sie es nicht?«
»Wenn es nur so einfach wäre.« Mason verstummte. Puller konnte sich lebhaft vorstellen, wie der Mann nun seine Gedanken ordnete. »Was ist eine bevorzugte Taktik der Taliban in Afghanistan? Sie dürften es besser wissen als die meisten anderen Menschen.«
»Ein Täuschungsmanöver und dann das eigentliche Attentat. Eine Bombe, um Militär und Polizei anzulocken. Eine zweite Bombe tötet
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