Zero Day
warum Ihr Mann so nervös ist. Erzählen Sie mir ja nicht, es sei wegen Morddrohungen. Ich bin zu der Einsicht gelangt, dass diese Behauptung Quatsch ist. Klar, er hat einmal Morddrohungen von Ihrem Bruder erhalten, aber meines Erachtens schiebt er dieses Mal neue, frei erfundene Drohungen vor, weil sie ihm gut passen, um die wahren Umstände zu verschleiern.«
»Inwiefern?«
»Roger hat seine Schutzmaßnahmen verstärkt, Jean. Der Fahrer seines Escalade ist ein ehemaliger Marineinfanterist.«
»Woher wissen Sie das?«
»Wir von der Army wittern einen Marineinfanteristen aus hundert Kilometern Entfernung. Der Bursche ist kampferprobt und bewaffnet. Und neu eingestellt, habe ich recht?«
»Ja.«
»Eine gute Wahl. Dem alten Knacker am Tor ist er haushoch überlegen.«
»Der Schutz hier bei uns ist aber nicht verbessert worden. Draußen steht noch immer derselbe pensionierte Polizist.«
»Es dürfte damit zusammenhängen, dass Roger zurzeit nicht daheim ist. Dem entnehme ich, dass der Personenschutz ihm weniger wichtig ist, wenn es um Sie oder Ihre Tochter geht. Der Ex-Marineinfanterist begleitet ausschließlich ihn.«
»Wovor könnte er sich denn fürchten?«, fragte Jean.
»Sie haben selbst erwähnt, er hätte viele Feinde. Aber Sie denken dabei an die alten Feinde, nicht wahr? Was ist mit neuen Feinden, neuen Konflikten? Das würde erklären, weshalb er einen solch qualifizierten Bodyguard einstellt.«
»Davon weiß ich nichts. Wie gesagt, ich bin an Rogers Geschäften nicht beteiligt.«
»Falls Sie mich weiter anlügen, Jean, lege ich Ihnen Handschellen an und verfrachte Sie umgehend zum Polizeirevier.«
Wieder vergoss sie einige Tränen. »Ich will nicht ins Gefängnis.«
»Dann sagen Sie mir die Wahrheit. Sie haben doch Ihr Restaurant bis ins Kleinste geplant und gestaltet, bis hin zu den Kaffeetassen. Sie kennen sich in Geschäftsführung aus. Ich gehe jede Wette ein, dass Sie auch den Bau und die Ausstattung der Villa persönlich überwacht haben, denn Innendekoration scheint nicht Rogers Stärke zu sein, wenn ich an seine tristen Büros bei der Firma Trent denke. Und da wollen Sie mir weismachen, Sie hätten keinerlei Einblick in seine geschäftlichen Aktivitäten? Ich glaube Ihnen kein Wort.«
Einen langen Augenblick saßen sie stumm da. Puller beobachtete Jean. Er hatte nicht die Absicht, das Schweigen zu brechen. Er würde warten, bis sie weich wurde und einlenkte.
Unvermittelt sagte sie: »Es gibt in der Firma Trent einige Probleme.«
»Welcher Art?«
»Verschwundenes Geld. Unerklärliche Buchungen. Geheimkonten. Verbindungen zu dubiosen ausländischen Banken. Vorgänge, die es nicht geben dürfte. Umgekehrt sind Vorgänge ausgeblieben, die hätten geschehen müssen.«
»Und Roger ist sich dessen bewusst?«
»Sehr deutlich.«
»Und was unternimmt er dagegen?«
»Alles, was er kann, aber sein Handlungsspielraum ist begrenzt. Im vergangenen Jahr hat er geschäftliche Entscheidungen gefällt, die eine Kapitalaufnahme erforderlich machten. Es ging um große Summen. Bloß sind die Gewinne, die er sich von diesen Entscheidungen versprach, nie erzielt worden. Nur die Verschuldung ist noch da. Er dachte, er hätte genügend Geld, um sie zu begleichen. Doch weil so viel Geld verschwindet, steckt er in Zahlungsschwierigkeiten. Deshalb war er in New York. Er wollte Finanzierungshilfen aushandeln. Aber die Banken gewähren noch immer ungern Kredite. Die Firmenleitung hat alles versucht, was in ihrer Macht steht.«
»Und jetzt Morddrohungen. Vielleicht vonseiten derjenigen, die Roger über den Tisch ziehen?«
»Ich weiß es nicht«, gab Jean zur Antwort. »Ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Na schön. Die Firma Trent ist ein großes Unternehmen, aber sie ist kein Konzern. Und sie hat ihren Sitz in einer Kleinstadt. Wollen Sie behaupten, keiner von Ihnen sähe einen Hinweis oder habe zumindest einen Verdacht, wer die Firma dermaßen abzockt? Wie wär’s mit Randy?«
»Randy? Wieso sollte er die Firma bestehlen?«
»Immerhin gibt er Roger die Schuld am Tod Ihrer Eltern.«
»Randy wäre gar nicht in der Lage, Roger Geld zu stehlen. Er versteht nicht das Geringste von Computern oder finanziellen Transaktionen. Nein, dahinter müssen sich Kreise verbergen, die sich in solchen Dingen hervorragend auskennen.«
»Wenn nicht Randy, ist es vielleicht jemand anders aus seinem Umfeld.«
»In Drake? Das glaube ich nicht. Jedenfalls wird die Situation allmählich verzweifelt. Roger und Bill wissen bald
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