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Zero Day

Zero Day

Titel: Zero Day Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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sagte Wally.
    »Wieso? Sollen Sie sie zu Louisa in die Klinik bringen?«
    Anscheinend verwirrte diese Frage Wally. »Nein, Sir.«
    »Was haben Sie dann damit vor?«
    »Sie zu meiner Oma zu schaffen.«
    »Sie möchten Louisas Eigentum zu Ihrer Oma bringen? Und weshalb sollte ich darin etwas anderes als Diebstahl sehen?«
    Wally machte große Augen. »Weil Louisa sie nicht mehr braucht. Sie ist tot.«
    Puller kniff die Augen zusammen. »Tot? Louisa ist tot? Seit wann?«
    »Ja, Sir, tot. Vor rund drei Stunden ist sie verstorben. Und Louisa hatte meiner Oma versprochen, dass sie die Sachen haben kann, wenn sie nicht mehr am Leben ist. Wie gesagt, sie waren gute Freundinnen. Ungefähr gleich alt und so.«
    Puller warf einen Blick auf den Karton und schaute dann wieder Cousins an. »Hier wird wohl nicht lange gefackelt, ehe man die Leichen fleddert, was?«
    »Haben Sie eigentlich gar keinen Durchblick, Mister?«
    »Wovon soll ich keinen Durchblick haben?«
    »In dieser Gemeinde haben viele Menschen überhaupt nichts. Wenn sie erfahren, dass jemand gestorben ist und keine Verwandten hat, ist sein Krempel schneller fort, als man hingucken kann. Was glauben Sie denn, warum hier so viele leere, völlig ausgeräumte Häuser stehen? Als Louisa gestorben war, sagte meine Oma zu mir, ich solle zum Motel fahren und die Sachen holen, die sie ihr versprochen hat, bevor jemand anders sie sich krallt.«
    Puller senkte die Pistole. »Woher weiß Ihre Oma, dass Louisa verstorben ist?«
    »Sie hat in der Klinik angerufen.«
    »Jemand, den ich kenne, hat auch in der Klinik angerufen. Dort wollte man aber keine Auskunft erteilen.«
    »Meine Tante arbeitet in der Klinik als Krankenpflegerin. Sie hat es Oma erzählt.«
    »Ich hatte den Eindruck, Louisa sei auf dem Wege der Besserung.«
    »Jedenfalls sah es so aus. Meine Tante meinte, sie habe den Eindruck, Louisa würde sich erholen. Aber dann schlugen die Geräte Alarm. Sie hatte plötzlich zu atmen aufgehört. Meine Tante sagte, so läuft es eben manchmal bei alten Menschen. Es ist einfach Schluss. Ich denke mir, die Lebenskraft war erschöpft.«
    Puller nahm den Inhalt des Kartons näher in Augenschein und sah keine Wertgegenstände. Er betrachtete eine der Fotografien. Sie zeigte zwei Frauen, offenbar Mittzwanzigerinnen, in Tellerröcken, engen Blusen und rosa Stöckelschuhen; sie hatten Hochfrisuren vom Umfang großer Wespennester. Er drehte das Bild um und entdeckte eine mit Bleistift geschriebene Datumsangabe: November 1955. »Ist eine dieser Damen Ihre Oma?«
    Wally nickte. »Jawohl, Sir. Sie ist die hier.« Er deutete auf die junge Blondine in der linken Hälfte. Sie trug ein schelmisches Lächeln zur Schau, als hätte sie im Sinn, sich die Welt zu Füßen zu legen. »Und das ist Louisa. Heute sehen beide längst anders aus. Vor allem Louisa natürlich.«
    »Kann man so sagen.« Puller blickte umher. »Nehmen Sie auch die Katze mit?«
    »Nee. Oma hat drei Hunde. Die würden das fette Vieh auffressen.« Wally beäugte Pullers Pistole. »Darf ich jetzt gehen?«
    »Ja. Verziehen Sie sich.« Wally hob den Karton auf. »Richten Sie Ihrer Oma aus, dass das Ableben ihrer besten Freundin mir leidtut.«
    »Mach ich. Wie ist Ihr Name?«
    »Puller.«
    »Ich werd’s ihr bestellen, Mr. Puller.«
    Gleich darauf hörte Puller den Motor des Lieferwagens anspringen und das Knirschen der Reifen, als der Wagen langsam vom Parkplatz des Motels rollte. Dann vernahm er ein Maunzen und ging an der Rezeption vorbei in die hinten gelegenen Wohnräume, aus denen das Geräusch gekommen war. Die Katze lag rücklings auf dem ungemachten Bett. Puller sah sich nach Futter, Wasser und dem Katzenklo um. Gefressen und getrunken hatte das Tier kaum. Vielleicht wartete es auf Louisas Heimkehr. Falls ja, war es vielleicht auch bald tot. Es wirkte in Katzenjahren so alt, wie Louisa an Menschenjahren auf dem Buckel gehabt hatte.
    Puller hockte sich auf die Bettkante und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Von 1955 und dem Tellerrock, als Louisa die Welt noch offenstand, bis zu der jämmerlichen Existenz Jahrzehnte später musste es ein langer Abwärtsweg gewesen sein. Mitbürger holten die schäbigen Besitztümer ab, noch ehe man unter der Erde ruhte.
    Ich dachte, ich hätte sie gerettet. Aber es ist mir nicht gelungen. So wie ich in Afghanistan meine Kameraden nicht retten konnte. Es hat nicht geklappt. Ich hatte die Lage nicht in der Hand. Doch die Armee verlangt, dass man alles unter Kontrolle hat. Sich selbst.

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