Zero Gravity
dem Hubschrauber-Crash das Display des JUST befunden hatte, war jetzt bloß noch eine raupenähnliche Narbe zu sehen.
Natürlich. Sie haben meine Uhr entfernt. Das muss er als Grund für meine Verspätung akzeptieren.
Schnell verließ Corrigan den Raum, um Schwester Chou zu verfolgen, die sich glücklicherweise noch im Hauptgang befand. Sie unterhielt sich gerade mit einem anderen Medizintechniker, der an seiner distelfarbenen Laborkombination zupfte und dann wild gestikulierte, woraufhin beide in Gelächter ausbrachen. Er war laut wie ein Esel, ihr Lachen hingegen klang sehr kultiviert.
Lächelnd wartete Corrigan, bis beide wieder ihrer Wege gingen; er grüßte den Mann, der sein Nicken im Vorbeihasten erwiderte, dann hatte er die Krankenschwester erreicht, die ihm den Rücken zuwandte. Sie summte leise vor sich hin, während sie mit professionellem Geschick die kleinen Injektoren und Becher sortierte, die auf dem Servierwagen aufgereiht waren.
Mit einem artigen »Guten Morgen, Schwester Chou« legte er eine Hand auf ihre Schulter - und löste eine Kettenreaktion aus. Chou schrie auf, schlug Corrigans Hand zur Seite und sprang aus dem Stand in die Höhe, so dass ihr silberner Zopf hüpfte, gleichzeitig rollte der Servierwagen davon und prallte mit einem Krach gegen den Türrahmen eines der Stationszimmer. Im Herumwirbeln griff die Schwester unter ihren Kittel, zog einen unhandlichen Gegenstand heraus und richtete ihn mit beiden Händen auf Corrigan. Nackte Angst verzerrte ihr sonst so freundliches Gesicht zu einer Grimasse.
»Vhoa!« Corrigan war nicht minder erschrocken, aber sein Blutdruck sank schon wieder auf Normalmaß, während er vorsichtig einen Schritt zurück machte. »Hey, hey, ganz ruhig, Schwester«, sagte er; dennoch zeigte das Geschäftsende des Elektrostunners unverändert auf seine Brust.
Die Hände der Frau zitterten. Sie umschlossen den Griff der Betäubungswaffe so fest, dass die Knöchel in gelblichem Weiß erstrahlten. Das Schlimmste an ihrem Anblick war jedoch die Furcht in den dunklen Augen.
»Hände nach oben, oder du machst die Bekanntschaft von 8 Millionen Volt«, knurrte da jemand hinter Corrigan, und im nächsten Moment presste jemand einen weiteren Stunner in seine Nierengegend. Er musste zu dem Pfleger gehören, den er eben passiert hatte, denn die Stimme des Mannes passte perfekt zu der albernen Eselslache. Ganz, ganz vorsichtig hob Corrigan die Hände über den Kopf. Der Pfleger stand viel zu dicht hinter ihm, weil er offenbar Angst hatte, er könnte sein Ziel verfehlen, und das wiederum bedeutete, dass sich der Kopf des Mannes in Corrigans Reichweite befand. Eine einzige schnelle Bewegung hätte genügt, um den anderen an den Ohren zu packen und ihm das Genick zu brechen.
»Schon besser«, grollte der Medtech, der offenbar ganz heiß darauf war, Star seines eigenen Action-Vids zu werden. »Rühr dich bloß nicht, bevor ich es dir sage, sonst wirst du gegrillt!« Das hektische Klicken hinter Corrigans Rücken bedeutete, dass der Esel an seinem Stunner herumfummelte. »Und jetzt geh vorsichtig weg von ihm, Marianne. Ich hab’ alles im Griff!«
Der Blick der Krankenschwester irrte für einen Moment lang zwischen den beiden Männern hin und her, dann löste sich ihre Anspannung. Die Furcht wich aus ihrem Blick, sie holte tief Luft und ließ ihren Elektrostunner sinken.
»Es gibt keinen Grund zur Panik.« Das galt offensichtlich nicht nur dem Esel, sondern auch ihr selbst. »Er wird mir nichts tun, Mike. Nicht wahr, Mr. Corrigan?«
»Natürlich werde ich ihr nichts tun«, bekräftigte der Justifier, um dem nervösen Pfleger in seinem Rücken zu signalisieren, dass er keine bösen Absichten hegte.
Chous Stunner wanderte zurück unter ihren Kittel, und schon stahl sich das freundliche Lächeln, das ihr Markenzeichen war, wieder auf ihre Lippen.
»Nimm das Ding weg, Mike. Es ist alles in Ordnung.«
»Bist du dir sicher?«, fragte der Mann hinter Corrigan irritiert, aber die eben noch so entsetzte Frau hatte sich bereits in die stählerne Schwester Chou zurückverwandelt.
»Ja, ich bin sicher. Geh schon, Mike.« Sie wedelte mit der Hand, bis sich der Pfleger langsam und vorsichtig zurückzog, dann wandte sie sich dem Justifier zu, der die Hände sinken ließ. »Es tut mir so leid, Mr. Corrigan. So hätte ich nicht reagieren dürfen.« Corrigan stutzte.
»Ihnen tut es leid? Asche auf mein Haupt - mir tut leid, dass ich Sie erschreckt habe, Schwester! Sie können sich wirklich
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