Zero Gravity

darauf angesprochen wurde. »Sie auseinanderzureißen, würde nichts besser machen. Ich brauche einfach mehr und besseres Material. Stockt mein Budget auf.« Gantt schüttelte leicht den Kopf.
    Aus reiner Bequemlichkeit an liebgewonnenen Gewohnheiten festzuhalten, brachte den Konzern nicht weiter. So hatte sie noch am selben Tag, an dem Nomura mit der Vernichtung von New Tailhe den bisherigen Höhepunkt seiner Unfähigkeit demonstriert hatte, mit einem perfekt ausgearbeiteten Konzept die Nähe von Nomuras Vorgesetztem Azer gesucht - und gewonnen.
    Gantts Konzept analysierte die Ursachen von Nomuras Versagen und bot Rezepte für Erfolge, die mit anderen Teamkombinationen zu erreichen gewesen wären. Azer war überzeugt.
    Zusätzlich zu ihren eigenen Forschungsprojekten und Nomuras Teams hatte Gantt ihren Eintrag im Telefonbuch bekommen; Nomura wiederum bekam einen Posten, der seinen Fähigkeiten, seiner Risikoscheu und dem zum Aussitzen geschaffenen Hinterteil eher angemessen war: Verwalter des Archivs III/2, in dem unter anderem die Verbrauchsdaten der Heizungssysteme aller von UI gemieteten Geschäftsgebäude, alte Personalakten und Teilbilanzen abgelegt wurden.
    An jenem Tag hatte Ayline Gantt ihre Assistentin Gabby ausgesandt, eine billige Flasche Schaumwein zu besorgen, und sie ganz allein getrunken.
    Sie lächelte knapp, als sie daran dachte.
    Und nun… nun wollte sich Gantt ein wenig mit Nomura unterhalten und erfühlen, inwieweit er sich noch für ihre Zwecke einspannen ließ. Schließlich hatte sie ja nichts gegen den Mann persönlich.
    Gantt sah nach oben. Dass sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um das dunkle Sensorfeld neben der Stahltür zu erreichen, war ärgerlich, aber Gantt war es gewohnt, dass ihre Körpergröße sie vor Herausforderungen stellte. Das war eine der Ursachen dafür, dass sie niemals aufgab.
    Lächelnd zog sie ihre Swipecard aus einer Tasche des teuren schwarzen Anzugs und hielt sie vor das Sensorfeld.
    Sie wartete.

    Nichts geschah. Kein Licht blinkte auf, kein Summen ertönte, und die schmucklose Stahltür, die ihr den Zutritt zum Archiv verwehrte, blieb an Ort und Stelle.
    Stirnrunzelnd begutachtete sie den Sensor und wiederholte die Bewegung, aber wieder erfolgte keine Reaktion.
    Vielleicht musste sie stattdessen die Handfläche gegen das schwarze Kunststofffeld pressen? Die kleine Hand mit den blauen Fingernägeln legte sich auf das plane Feld. Nichts.
    Gantt verzog das Gesicht. In diesem Teil der Station war die Hardware älter und schäbiger als in den Bereichen, die auch zum Repräsentieren genutzt wurden.
    Sie spreizte die Finger.
    Nichts geschah.
    »Was soll der Scheiß?«
    Nach kurzem Überlegen drückte Ayline Gantt den Knopf, der sich neben dem Handsensor befand. Augenblicklich flackerte die schwarze Fläche auf, auf die sie eben noch die Hand gelegt hatte. Ein pixeliges Frauengesicht glotzte sie an, Gantts Fingerabdrücke zauberten Flecke auf seine Haut.
    »Ja?«, fragte das pixelige Frauengesicht misstrauisch. »Ist da jemand?«
    »Hier«, schnappte Gantt. »Hier unten. Hat die Archivtür etwa keine Sensorfelder?«
    Die Frau schien sich der Kamera zu nähern; je näher sie dem Objektiv kam, desto größer und vorquellender wirkten ihre Augen.
    Die Glotzaugen blinzelten.
    »Sind Sie gekommen, um das zu fragen, Miss…«
    »Gantt. Nein. Ich bin gekommen, um Mr. Nomura zu treffen.«
    »Haben Sie einen Termin vereinbart, Miss Gantt?«
    »Einen Termin?« Gantt musste sich beinahe auf die Zunge beißen, um nicht laut aufzulachen. »Ich muss keine Termine mit einem Archivleiter vereinbaren.«
    »Bringen Sie Akten?«
    »Sehe ich aus wie eine Bürobotin?«
    »Arbeiten Sie für IA?«, fragte die Frau unbeirrt weiter.
    »Nein«, wehrte Gantt ab, die Internal Audit - die Innenrevision - genauso sehr hasste wie alle anderen ihrer Kolleginnen auch. IA hielt Menschen vom Arbeiten ab und stellte Fragen, deren Antworten niemanden interessierten außer IA selbst. Die Abkürzung klang nicht umsonst wie das Geräusch, das ein erregter Esel machte.
    »Ganz bestimmt nicht.« »Gehören Sie zum Board?« »Nein… «
    »Dann brauchen Sie einen Termin.«
    Mit einem Knistern erlosch das bewegte Monitorbild; nur noch die eigenen Fingerabdrücke starrten Ayline Gantt von der schwarzen Fläche entgegen.
    »So nicht, Freunde.« Verärgert drückte sie den Knopf, wieder flackerte das Bild der mopsähnlichen Frau auf.
    »Möchten Sie einen Termin vereinbaren?« »Zum letzten Mal,