Zero Gravity
und kniff ihre Augen zusammen, um sich an das Licht in den weiß gefliesten Räumlichkeiten des VirtuaCamp zu gewöhnen. In die meisten der gepolsterten Gestelle, die den Raum füllten, waren mit Elektroden bepflasterte Körper eingespannt. Die blauen Kunststoffhelme mit den abgedunkelten Visieren ließen sie wie die Androiden aus einem der Filme wirken, die sich Kit zusammen mit Maya während der Reise zu einer der letzten Missionen angesehen hatte … »Rebellenmond« hatte er geheißen und war die C nicht wert gewesen, die sie für den Chip ausgegeben hatten. Kit klappte das Visier wieder herunter.
»Wieso gibt es hier eigentlich keinen Dimmer, Bart?«
»UI ist zu arm für solche Spielereien«, ertönte die amüsierte Stimme des für sie zuständigen Virtuellen TrainingControllers über Kits Kopfhörer.
Obwohl Kit ihn noch nie zu Gesicht bekommen hatte, wusste sie, dass an Bart selbst leider nichts virtuell war. Der Controller behauptete, auf Putin als reinrassiger Mensch geboren worden zu sein, wofür auch sein Akzent sprach, aber die Füchsin wettete, dass er entweder ein Chemical war oder ein Beta, dessen tierische Gene von einer Krätzmilbe stammten.
Eigentlich liebte sie es zu flirten, und sie mochte Männer jeder Sorte - ganz egal, ob Dachs- oder Tiger-Beta, Mensch oder Exo. Ihr Teampartner Shiloh nannte ihren Zustand ständiger Bereitschaft »Dauerranz« und zog Kit damit auf, dass die bei Frettchen meistens tödlich endete. Nun war die Fuchs-Beta kein Frettchen, aber…
… aber Bart nervte.
Er sah es nicht nur als seine Aufgabe an, auf die Messwerte seiner »Kundin« zu achten und ihr die passenden Trainingsszenarien zur Verfügung zu stellen - er stellte ihr oft persönliche und meist lästige Fragen. Sie fand es mittlerweile schon ein bisschen seltsam, dass jedes Mal, wenn sie trainierte, ausgerechnet Bart Dienst und gerade keinen anderen Kunden hatte. Vermutlich gehörte er zu der Sorte Fetischisten, die auf Bildgeschichten mit anthropomorphen Tieren standen und sich einen von der Palme wedelten, während sie unter der Bettdecke heimlich ihre Furry-Comics lasen.
»Was ist jetzt, Schwester? Gibst du das Rack endlich frei?« »Halt bloß die Klappe, Barthelmus Morosow.«
»Hey, ich muss schließlich einen Belegungsplan einhalten! Was machst du eigentlich heute Abend, Schwester? Im El Zotz ist Lavalampen-Nacht. Hast du nicht Lust, deinen Luxuskörper in hübschere Klamotten zu hüllen und mich zu begleiten?«
Ohne ihn jemals gesehen zu haben, wusste Kit, dass die aufdringliche Krätzmilbe die letzte Kreatur auf Utini war, mit der sie ausgehen wollte. »Ich hasse Lavalampen.«
Sie unterstrich ihre Aussage mit einem gespielten Würgen, was den russischen Controller seufzen ließ. »Dann ist dir nicht zu helfen, Schwester. - Jetzt klink dich lieber aus, bevor ich dich dazu verpflichten muss, den Helm zu reinigen.« Bart lachte. »Du weißt ja: Wer kotzt, putzt.«
»Heilige Scheiße«, krächzte eine andere, heisere Stimme, die aber nicht auf elektronischem Wege in Kits Innenohr rauschte.
Sie zog den Helm ab.
Dominierender Geruch im Trainingsraum war Schweiß, gefolgt von Urin. Kit rümpfte die empfindliche Nase. Im Rack rechts von ihr war eine muskulöse menschliche Frau angeschnallt, die Kit vor der Perennia-Simulation noch nie auf der Station gesehen hatte. Sie trug einen braunen Underall, der so eng an ihrem bulligen Körper anlag, als wären die zwischen Haut und Stoff verbliebenen Luftmoleküle mit dem Vakuumsauger entfernt worden: Die Druckanzüge, die die Konzerngardeure unter ihren Kampfpanzerungen trugen, ließen keinerlei Spielraum für irgendwelche Fantasien. Ächzend nahm die Gardeurin den Helm ab; das blassblonde Haar darunter war zu einem strammen Pferdeschwanz zusammengebunden, der Kit schon beim Hinschauen Schmerzen verursachte. Mitfühlend verzog sie die Lefzen und fuhr mit einer Hand durch ihr eigenes rotes Kopfhaar, das sie seit Yamantaka genicklang trug.
»Wie bei allen Göttern mache ich, dass das aufhört?«, fragte die Blonde rau. »Die Übelkeit oder die Ameisen?«
Kit löste sich mit geübten Handgriffen aus ihrem VirtuaCamp-Rack und hängte den Helm in die dafür vorgesehene Halterung, wo er augenblicklich desinfiziert wurde.
»Die Ameisen«, gab die Blonde missmutig zurück und rieb sich die blasse Kehle, bevor auch sie mit dem Abschnallen begann. »Das Jucken und Beißen ist… brutal.« Vielleicht war die Heiserkeit bloß auf die Anstrengung zurückzuführen, aber
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