Zero Option: Thriller
Stress zwischen Vladimir und ihr sie doch stärker, als sie gedacht hatte. Oder es war die neue Schuld, die sie auf sich geladen hatte. So oder so, in absehbarer Zeit würde sie jedenfalls nicht wieder einschlafen können.
Izolda schlüpfte in ihren Morgenmantel und trat hinaus auf den Flur. Am Mittwochmorgen waren sie in der Datscha eingetroffen. Izolda liebte Sotschi, zum Glück, da es eines der wenigen Urlaubsziele war, die Vladimir ohne Risiko besuchen konnte. Die Datscha war ein edles, großzügiges Haus, aber nichts im Vergleich zu dem Anwesen, das sie vor den Toren von Moskau bewohnten. Das war wirklich riesig, weit jenseits aller Bedürfnisse und jedes Luxus. Es besaß einen kompletten Flügel nur für das Zimmermädchen, den Koch, den Butler, den Fahrer, den Gärtner und die Leibwächter. Den Rest bewohnte sie gemeinsam mit Vladimir. Sie wusste nicht einmal, wie viele Zimmer das Haus hatte, und manche betrat sie oft wochenlang kein einziges Mal. In die Räume, die Vladimir und sie einst als Kinderzimmer vorgesehen hatten, hatte sie seit Jahren keinen Fuß mehr gesetzt.
Izolda drückte jeden Lichtschalter, an dem sie vorbeikam. Sie mochte zwar eine erwachsene Frau sein, aber durch den Alptraum war sie immer noch ein wenig angeschlagen. Und eine einsam gelegene Datscha war auch nicht gerade das beste Mittel, um ihre Fantasie im Zaum zu halten. Die Slipper dämpften ihre Schritte auf den roten Eichendielen.
Ein sanfter Lichtschimmer aus dem Arbeitszimmer verriet ihr, wo sie Vladimir finden würde. Als sie eintrat, hob er den Kopf. Er saß im Seidenpyjama hinter seinem Schreibtisch, die Augen zur Tür gewandt. Manche Männer wurden ja mit zunehmendem Alter immer attraktiver, und auch wenn Vladimir vielleicht nicht zu diesen gehörte, verlieh ihm das ergrauende Haar eine gewisse Würde, während die Falten seinen ansonsten langweiligen Zügen einen gewissen Charakter hinzufügten. Aber er war immer noch genauso stark und mächtig wie immer.
Einzige Lichtquelle war der Computerbildschirm. Vladimir klickte mit der Maus und nahm die Ohrstöpsel heraus.
»Izzy«, sagte er. »Ich dachte, du schläfst tief und fest.«
Sie lehnte sich gegen den Türrahmen. »Ich hatte einen Alptraum.«
»Mein armes Baby.« Er sah so besorgt aus. »Was denn für einen Alptraum?«
»Ich weiß nicht mehr.«
»Ist es so nicht am besten?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Was hält dich denn um diese Zeit noch wach?«
Der Ausdruck auf Vladimirs Gesicht war glücklich und traurig zugleich. »Die Arbeit, mein Liebling. Nur die Arbeit.«
»Kann die denn nicht bis morgen warten? Wir haben doch Urlaub, oder etwa nicht?«
»Es ist nichts Dringendes«, erwiderte er. »Aber ich konnte nicht einschlafen, und da dachte ich: Warum soll ich das nicht ausnützen, und bin aufgestanden. Hoffentlich habe ich dich dabei nicht geweckt.«
Izolda schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich bin ja nur wegen dieses Alptraums aufgewacht. Wie lange bist du denn schon auf?«
»Noch nicht lange.«
»Oh, ich dachte …«
Vladimir lächelte. »Du hast so süß ausgesehen. Und du hast geschnarcht.«
»Hab ich nicht.«
»Hast du doch.«
»Ich schnarche nicht.« Sie lächelte scheu. »Ich bin eine Dame.«
»Eine wunderschöne Dame.«
Ihr Lächeln wurde unwillkürlich ein wenig strahlender. »Ich kann ohne dich nicht schlafen. Komm doch bitte wieder zurück ins Bett.«
»Gib mir fünf Minuten, damit ich das hier zu Ende bringen kann, dann komme ich. Wie hört sich das an, mein Liebling?«
Kasakov blickte Izolda nach. Er log seine Frau nur äußerst ungern an, aber manchmal ließ sich das eben nicht vermeiden. Das, was er machte, hatte nichts mit Arbeit zu tun. Burliuk und Eltsina führten in seiner Abwesenheit die Geschäfte, und er hatte Anweisung hinterlassen, dass er unter keinen Umständen gestört werden wollte. Burliuk war dagegen gewesen, dass Kasakov ausgerechnet jetzt Urlaub machen wollte, wo die Organisation durch die zahlreichen Attacken der vergangenen Wochen in einer tiefen Krise steckte, aber Kasakov war trotzdem gefahren. Er hatte nicht die Geduld, sich mit verängstigten Mitarbeitern und wütenden Kunden zu beschäftigen, und von beiden Sorten gab es zurzeit eine ganze Menge. Vor allem die Nordkoreaner schäumten vor Wut, zunächst, weil ihre Lieferung sich verzögert hatte, und es war nicht besser geworden, als sie erfahren hatten, dass sie statt der versprochenen zwanzig Kampfflugzeuge nur achtzehn erhalten würden. Es würde sehr viel
Weitere Kostenlose Bücher