Zerrissen - Thriller
nur meine Mutter und die ist sicherlich umgezogen.“
Justin beobachtete die anderen, in der Hoffnung , sie wüssten jemanden.
„Wir schicken es an meine Adresse. Ich bin mir sicher, mein Vater hat unser Haus nicht verkauft.“
Niklas war fest davon überze ugt, dass das die beste Idee wäre . Nach einigen Stunden einigten sie sich darauf, den Brief an Paul zu schicken – den Bruder von Niklas. Jetzt blieb nur noch zu klären, wie sie ihn nach draußen kriegen sollten. Es gab allerdin gs sowieso nur eine Möglichkeit: S ie mussten den Brief unter die andere Post schmuggeln. Und wieder war es Ben, der gute Nerven bewies.
*
Charlotte war in ein Krankenhaus gebracht worden und Isabella ließ sie nicht allein . Sie war so froh darüber, dass sie sie gefunden hatten. Die Polizei bewachte das Zimmer, doch nun war wenigstens klar, dass mit Raoul Richter , oder besser gesagt Vincent Wagner , etwas nicht stimmte. Charlotte fehlte soweit nichts. Sie hatte einen ziemlichen Schock und fragte ständig nach Niklas. Die Ärzte gaben ihr ein Beruhigungsmittel, dann schlief sie für ein paar Stunden.
*
Sie hatten es geschafft. Der Brief war geschrieben. Es waren nur ein paar Worte. Keiner wusste so recht , was sie schreiben sollten. Doch Niklas war sich sicher, dass seine Familie kommen und ihn retten würde . Sie mussten einen ganzen Tag lang warten , bis die Frau endlich wieder nach unten kam. Als sie das Schloss hörten, waren sie mehr als aufgeregt. Wen würde sie wohl nach oben holen? Alle hofften, dass es Ben sein würde, denn er hatte den Brief in der Tasche. Falls keine Briefe auf der Kommode lagen, würden sie es eben so lange versuchen , bis endlich ein paar d ort liegen würde n . Sie lachte sie an und brachte ihnen Süßigkeiten. Sie war en alle überrascht und misstrauisch. Was hatte sie vor? Normalerweise waren Süßigkeiten verboten. Sie würden sonst zu dick we rden. Aber heute brachte sie ihnen Schokola de, Gummibärchen und Kuchen. Sie trauten ihren Augen ni cht, wollten sich sofort darauf stürzten, aber sie wussten, dass sie Disziplin zeigen mussten. Es könnte auch ein Test sein. Das mach te sie ab und zu. Sie wollte sie in Versuchung bringen , um sie danach zu bestrafen. Doch diesmal war es anders. Sie forderte sie auf , zu essen , und sie taten es. Bei den ersten Bissen waren sie noch uns icher, danach schlangen sie alles auf einmal hinunter. Es war einfach zu lecker! Sie erzählte ihnen nebenbei Geschichten. Dann stand sie auf und zog Ben mit sich nach oben. Als sie den Raum verließen , atmeten Justin und Niklas tief durch – geschafft !
Ben machte seine Übungen , während sie fernsah. Er war nervös, denn beim Vorbeigehen an der Kommode hatte er die vielen Briefe gesehen. Es musste also heute geschehen. Seine Hände waren schweißnass. Er durfte sich nichts anmerken lassen, musste so sein wie immer. Doch das war leichter gesagt , als getan! Hinge nicht ihr aller Leben davor ab , wäre es leichter gewesen. Es war sein Einfall , doch Niklas war derjenige, der nicht aufgeben wollte. Ben schwebte der Gedanke mit dem Brief schon lange im Kopf herum, doch er traute es s ich nicht , zu sagen. Justin war immer der mit den Ideen, er war ja nur der heulende Ben. Seine Chance war heute gekommen und er nutzte sie.
*
Paul Stuart schlich um sein ehemaliges Zuhause und spähte durch die Fenster h indurch. Er war schon öfter her gekommen – hier fühlte er sich g eborgen. Seit vier Jahren wohnte er bei seinem Vater in Frankfurt, doch da s Haus im Schwarzwald hatte er nie vergessen. Hier war er seinem kleinen Bruder nah – und doch so fern. Er spürte die Anwesenheit von Niklas, auch wenn dieser wahrscheinlich tot war. Heute war es regnerisch und windig und er wurde klitschnass. Er mu sste von der Haltestelle bis zum Haus laufen. K ein Auto begegnete ihm , um ihn mitzunehmen. Oft hielten ehemalige Nachbarn und brachten ihn zum Haus, doch heute versteckten sich alle hinter ihren Gardinen. Zwar wunderten sich die Leute , was e r immer wieder hier machte, aber sie konnten ihn auch verstehen. Es war so schrecklich – damals, als sein Brude r verschwand! Die ganze Gemeinde half beim S uchen und Paul fühlte sich so verloren und hilflos wie nie zuvor in seinem Leben. Seine Mutter brach zusammen, sein Vater hörte nicht mehr auf zu b rüllen , und Polizisten gingen ein und aus. So ging das über Monate hinweg und Paul zog sich immer mehr in sich zurück. Als es nicht mehr anders ging,
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