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Zerrissenes Herz (German Edition)

Zerrissenes Herz (German Edition)

Titel: Zerrissenes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Zivilkleidung – eine dunkle Hose, die für seine langen Beine einen Tick zu kurz war. Ein gestärktes weißes Hemd. Schuhe, die ein wenig drückten. Und er war sauber. Geduscht, rasiert und so gut mit Essen versorgt wie seit vierundzwanzig Monaten nicht mehr. Es fühlte sich so verdammt gut an. Vermutlich würde die Hälfte aller Probleme auf dieser Welt verschwinden, wenn man den Menschen nur ermöglichte, ordentlich zu essen und so oft zu duschen, wie sie wollten.
    Er stand auf und ging im Raum auf und ab, blieb nur hin und wieder kurz stehen, um die Unterschriften unter den Porträts an den Wänden zu lesen. Das war der Aspekt im Militärleben, der ihm am wenigsten gefiel: Beeil dich und warte. Egal, um was für eine Situation es sich handelte, wenn das Militär involviert war, konnte man davon ausgehen, dass man warten musste. Während der Gefangenschaft hatte Julian viel übers Warten gelernt. Dass er noch am Leben war, hatte er unter anderem der Geduld und der Langmut zu verdanken, die er in diesen dunklen, verlorenen Monaten kultiviert hatte.
    Ein elfenbeinfarbenes Telefon ohne Tasten hing an der Wand. Er fragte sich gerade, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass er eine Leitung nach draußen bekam, als es an der Tür klopfte und sie aufschwang.
    Eine kleine, kräftige Offizierin trat ein. Ihr schwarzes Haar war zu einem strengen Zopf zurückgebunden.
    „Heilige Muttergottes“, sagte sie. „Sturkopf!“
    „Sayers?“ Er lachte vor Freude und breitete die Arme aus.
    Sie ließ sich hineinfallen und fühlte sich genauso an, wie er sie in Erinnerung hatte. Dann trat sie schnell einen Schritt zurück und setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf, um ihn gründlich anzuschauen. „Verdammt. Wo zum Teufel bist du gewesen, Junge?“
    „Das wüsste ich auch gern“, sagte er. „Irgendwo in der Hölle.“
    In ihren Augen glitzerten Tränen, und ihre ernste Miene wurde ganz weich. „Ich kann es nicht glauben. Wir waren alle in der Hölle, das ganze Regiment, als wir die Nachricht erhielten, du wärst getötet worden. Sie haben gesagt, du konntest fliehen, weil du eine Querschnittslähmung vorgetäuscht hast?“
    „Anfangs habe ich es nicht vorgetäuscht. Die Ärzte in Palanquero sagten, dass ich vermutlich eine Stauchung der Wirbelsäule erlitten hätte. Temporäre Lähmung oder spinaler Schock, irgendwie so was. Als ich gemerkt hatte, dass es langsam wieder besser wurde, habe ich einfach nichts gesagt. Ich dachte, das Überraschungsmoment könnte mir irgendwann gut zupasskommen.“
    „Wie zum Teufel hast du diese Scharade so lang aufrechterhalten können?“
    „Mein Dad hat im Rollstuhl gesessen. Ich wusste, wie das ist und was man machen muss. Und glaub mir, die Wachen waren nicht allzu erpicht darauf, sich um meine persönlichen Geschäfte zu kümmern. Sie haben mich diesbezüglich weitgehend in Ruhe gelassen.“
    Sie drückte ihm die Hand. „Du wirst wieder in Ordnung kommen.“ Das war keine Frage.
    „Natürlich“, versicherte er ihr. Dennoch war er beinahe schmerzhaft glücklich, ihre Hand in seiner zu spüren. Zu allem,was man ihm angetan hatte, war ihm auch jeglicher zwischenmenschlicher Kontakt versagt worden. Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht realisiert, wie sehr er eine einfache Berührung vermisst hatte.
    „Das mit deinem Team tut mir leid“, sagte Sayers.
    Julian nickte. Die Worte erstarben ihm auf der Zunge. Erst nachdem er mit erhobenen Händen den Stützpunkt in Palanquero betreten hatte, hatte er erfahren, dass der Helikopter abgestürzt und nie geborgen worden war. Das erklärte, wieso er und Ramos gemeinsam mit dem Rest der Truppe für tot erklärt worden waren und man kein Team zu seiner Rettung losgeschickt hatte. Er hatte seine Kommandanten darüber informiert, dass Ramos sich geopfert hatte und gezwungen worden war, in Gamboas Operation mitzuarbeiten. Die Mission, den Drogenbaron hochzunehmen, lief immer noch. Die Zerstörung, die Julian bei seiner Flucht angerichtet hatte, war ein großer Durchbruch gewesen. Aber allzu viel Befriedigung konnte Julian daraus nicht ziehen, zu sehr schmerzte ihn der Verlust seiner Kameraden.
    Rusty und Doc, Truesdale, Simon und José, Männer der kolumbianischen Armee, mit denen er gemeinsam trainiert hatte. Keinen von ihnen hatte er sonderlich lange gekannt, aber ihre Verbindung war einzigartig und stark gewesen. Sie hatten sich gegenseitig ihr Leben anvertraut, und nun waren sie alle … fort. Für ihn spielte es keine Rolle, dass das

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