Zerrissenes Herz (German Edition)
erfunden.
Julian versuchte, Daisy nicht zu offensichtlich anzuschauen, aber er konnte den Blick einfach nicht von ihr abwenden. Sie schien das gleiche Problem zu haben, denn ihre Blicke trafen sich immer wieder, lösten sich voneinander, trafen sich erneut.
„Ich kann nicht glauben, dass du hier bist“, sagte sie.
„Es fühlt sich an, als wäre ich eine Ewigkeit weg gewesen“, erwiderte er. „Irgendwo in einem Kaninchenbau, während die Welt sich ohne mich weitergedreht hat. Ich weiß ganz sicher, dass es da, wo ich gewesen bin, keinen Kirschkuchen gegeben hat.“
„Der Kuchen ist aus der Sky River Bakery“, sagte Zoe.
„Kein Wunder, dass er so gut ist.“
„Wo bist du gewesen, Julian?“, wollte Charlie wissen.
„Ja, wo bist du gewesen?“, plapperte Zoe nach.
„Ganz weit weg an einem Ort, der Kolumbien heißt. Ich bin lange vermisst gewesen, aber jetzt bin ich wieder zurück.“
Die Situation fühlte sich beinahe banal an. Julian kam es gleichzeitig normal und seltsam vor, an diesem Küchentisch zu sitzen und Kuchen zu essen. Er spürte Daisys Aufmerksamkeit wie eine körperliche Berührung – eine Erfahrung, die er aufregend fand, die ihn aber gleichzeitig auch störte. Verheiratet, sagte er sich wieder und wieder. Dieses Mädchen war verheiratet. Es gab Grenzen, die nicht überschritten werden durften.
Er stand auf, um den Tisch abzuräumen. Daisy eilte ihm zu Hilfe.
„Wie wäre es mit einer Runde Mau-Mau?“, fragte Olivia. Es war das Lieblingsspiel der Kinder.
„Ja!“ Charlie reckte eine Faust in die Luft. „Du bist in meinem Team, Daddy.“
„Darauf kannst du wetten“, sagte Logan.
„Ich hole die Karten.“ Olivia verließ die Küche.
„Lass uns nach draußen gehen, okay?“, fragte Daisy leise und schaute Julian an.
Er erwiderte nichts, sondern ging einfach hinaus auf die hintere Veranda. Olivia und Connor hatten ein wunderschönes Haus. Sie hatten es extra so entworfen, dass es sich perfekt in die Landschaft neben dem Fluss einfügte, der von den Bergen zum See hinunterfloss. Die hintere Veranda ging auf eine leicht ansteigende Wiese hinaus, auf der Ahornbäume wuchsen und eine kalte Quelle entsprang. Julian hatte Stunden damit verbracht, sich sein Leben mit Daisy vorzustellen. Der Ort hatte genauso ausgesehen wie dashier. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen, doch der Mond schien so hell, dass die Bäume Schatten auf den Rasen warfen.
„Ich habe Logan gesagt, dass ich ein wenig Zeit mit dir alleine brauche. Er versteht es.“
Nein, tut er nicht, dachte Julian, sagte es aber nicht laut. Was er will, ist, dass ich immer noch tot bin. Und ich mache ihm keine Vorwürfe. Niemand, der bei klarem Verstand ist, würde wollen, dass der tot geglaubte Exverlobte der eigenen Frau wieder auftaucht.
Daisy stand mit dem Rücken zum Geländer der Veranda. „Du bist ein Wunder“, sagte sie. „Der Miracle-Man.“
„Ich wünschte, du würdest das nicht sagen. Das ist ein Ruf, dem schwer gerecht zu werden ist. Was sollte ich denn dann als Zugabe machen, übers Wasser laufen?“
„Tu gar nichts. Bleib einfach nur in Sicherheit.“
„Ich bin jetzt in Sicherheit.“
Sie nickte und atmete zitternd ein. Er spürte, dass sie wieder kurz davor war, in Tränen auszubrechen. So gut kannte er sie immer noch.
„Fang jetzt bloß nicht an zu weinen“, warnte er sie und umklammerte die Brüstung, um sich davon abzuhalten, Daisy zu berühren.
„Ich versuche es“, erwiderte sie. „Gott weiß, ich habe ganze Ozeane um dich geweint, Julian Gastineaux.“
„Bis ich mich letzte Woche zum Stützpunkt in Palanquero durchgeschlagen hatte, wusste ich nicht, was man dir erzählt hatte. Ich hatte keine Ahnung, dass der Hubschrauber abgestürzt ist. Es tut mir so leid, was du alles hast durchmachen müssen. Zu denken, dass ich mit dem Rest der Crew gestorben bin …“
„Mir tut es leid um dein Team“, sagte sie. „Standet ihr euch nahe?“
„Wie Brüder.“ Es gab so vieles, was er ihr erzählen wollte, aber er hielt sich zurück. Er hatte nicht das Recht, ihr sein Herz auszuschütten, zumindest im Moment nicht.
„Es tut mir so leid, Julian. Es ist fürchterlich. Aber denk daran… Die Wunden werden heilen. Du wirst nie wieder der Gleiche sein, aber du wirst heilen.“
„Das ist der Plan“, sagte er leise. „Wie sieht es bei dir aus? Wie geht es dir?“
„Niemand konnte es weniger schrecklich machen, aber alle waren sehr lieb und rücksichtsvoll.“
Und ist Logan auch lieb
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