Zerrissenes Herz (German Edition)
gegen ihren Willen aufzuschreien. Dem Gedanken folgte sofort eine schmerzhafte Mischung aus Schuldgefühl und Sehnsucht. Sie hatte geglaubt, damit umgehen zu können – damit, ihn zu sehen, aber auf Abstand zu bleiben. Doch anstatt dass es leichter wurde, fiel es ihr mit jeder weiteren Begegnung schwerer. Sie hatte bisher jedoch noch keine Grenze überschritten und war auch fest entschlossen, es nicht zu tun. Seit jenem ersten Abend hatte es zwischen ihr und Julian kein privates Gespräch mehr gegeben. Nachdem sie ihm erzählt hatte, dass sie entschlossen war, mit Logan zusammenzubleiben, gab es nichts mehr zu sagen. Schon gar nicht jetzt, wenn Logan sich nach dem Rückfall sicherlich labil und hilflos fühlte. Nie könnte sie ihn in diesem Zustand verlassen. Wobei … irgendwie war es seltsam, denn Logan wirkte nach dem Vorfall gar nicht labil oder hilflos. Egal. Das bedeutete trotzdem nicht, dass sie sich einfach so aus der Verpflichtung stehlen durfte.
Am besten brachte sie die unangenehme Situation schnell hinter sich und begrüßte ihn gleich. „Hey“, sagte sie und näherte sich ihm.
Seine Augen glänzten auf, als er sie sah, aber sie bemerkte, dass er seine Freude schnell dämpfte. „Hey“, erwiderte er.
Sie musterte sein Gesicht, die starken Hände, den hochgewachsenenKörper. Er trug Narben, die noch nicht da gewesen waren, als er fortgegangen war. Es gab so vieles, was sie ihm sagen wollte, aber nicht konnte.
Und im Grunde musste sie es auch nicht. Sie und Julian konnten einander mit einem einzigen Blick mehr sagen als mit einer langen Unterhaltung. So war es schon immer gewesen. Vielleicht würde diese Verbindung im Laufe der Zeit schwächer werden. Doch heute war sie machtvoll und erfüllte Daisy mit Sehnsucht und einer verbotenen Hitze.
„Ich … äh, ich wollte dir dafür danken, dass du Logan geholfen hast. Er hat mir erzählt, dass du für ihn da gewesen bist.“ Es war so leicht und fühlte sich so richtig an, diese Worte zu sagen. Sie war ihm sehr dankbar dafür, dass er Logan an dem grauenvollen Tag zu Hilfe gekommen war. Er hätte auch einfach in die andere Richtung schauen und Logan sich selbst überlassen können. Aber das war nicht Julians Art. Wenn er jemanden sah, der gerettet werden musste, dann tat er alles, was er konnte. Auch wenn das bedeutete, seinem Rivalen zu helfen.
Guter Gott, was für eine unmögliche Situation! Und wie konnte Daisy sich in seiner Gegenwart plötzlich so unwohl fühlen, wenn doch alles, was sie wollte … nein. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre Gedanken in diese Richtung gingen.
„Keine Ursache“, erwiderte Julian. „Geht es ihm wieder gut?“ Sie nickte. „Er hat die Kontrolle verloren. Das passiert. Jetzt ist er wieder im Programm.“
„Und du? Geht es dir auch gut?“
„Sicher“, antwortete sie zu schnell, zu fröhlich. „Mir geht es großartig. Ich habe viel zu tun. Charlie geht es auch gut.“ Wenn er sich nicht in der Schule in Schwierigkeiten bringt. „Er wird sich freuen, dich zu sehen.“
„Ich werde ihn in einer Minute suchen gehen. Daisy …“
„Also, wie geht es dir?“, unterbrach sie ihn, weil sie das Thema wechseln wollte.
„Ich warte darauf, dass dieser Zwangsurlaub endlich zu Ende geht. Ich muss immer noch zur Physiotherapie und zu psychologischenUntersuchungen; immer mehr Reifen, durch die ich springen muss.“
Sie starb vor Neugierde, zu erfahren, was für Pläne er hatte, aber seine Zukunft durfte sie nicht interessieren. „Ich hoffe, dass alles für dich wieder gut wird.“ Die Anspannung war fast so greifbar, dass Daisy ein Ziehen auf der Kopfhaut spürte. „Julian?“
„Ja?“
„Ich …“ Sie verstummte, als Logan durch die Tür kam und winkte, sobald er sie sah.
„Da ist ja meine abtrünnige Frau.“ Er legte einen Arm um sie und zog sie an sich.
Sie lächelte ihn an. „ Moi? Abtrünnig?“
„Hey, Logan.“ Julian schüttelte ihm die Hand. „Ich wollte gerade die Runde machen. Wir sehen uns.“ Er schlenderte ohne besondere Hast davon, aber Daisy spürte, dass er nicht erpicht darauf war, zu bleiben.
Logan ließ seinen Arm fallen und trat einen Schritt zurück. „Wie geht es unserem Julian?“
„Ich schätze, gut.“
„Habt ihr zwei euch über meine tolle Vorstellung von letzter Woche unterhalten?“
Sie zuckte zusammen. „Ich habe ihm gedankt, weil er dir geholfen hat, das ist alles.“
„Ja, er ist ein echter Superheld.“
Sein Kommentar entfesselte die Wut, die Daisy schon seit
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