Zerrissenes Herz (German Edition)
bringen.
„Wann kommt Dad denn?“, wollte Charlie wissen.
„Ich weiß nicht genau“, erwiderte sie. „Aber wenn wir imCamp angekommen sind, kannst du ihm von meinem Telefon aus eine SMS schicken.“
Charlie schwieg.
„Okay?“, hakte sie nach.
„Dad muss später kommen, weil er noch ein Treffen hat“, sagte Charlie und bewies damit wieder einmal, dass ihm nichts entging.
„Das stimmt.“ Sie bemühte sich um einen neutralen Tonfall, doch sie nahm an, dass ihr Sohn ihre ruhige Fassade problemlos durchschaute. Seit Logans Rückfall war ihr aufgefallen, dass Charlie viel mehr verstand, als sie je gedacht hätte.
Der Rückfall war für sie als Paar eine Art Wendepunkt gewesen. Nicht, dass es sich um einen unverzeihlichen Fehler gehandelt hätte – überhaupt nicht. Aber die Krise hatte den Effekt, dass sie sich endlich mit den Dingen beschäftigen mussten, die sie quasi vom Tag der überstürzten Heirat an stoisch ignoriert hatten. Daisy fragte sich, wem sie und Logan überhaupt geglaubt hatten, etwas vormachen zu können.
Logans Ausfall hatte sie total überrascht – auch wenn sie vermutlich nicht im Geringsten hätte verwundert sein sollen. Sie war letzten Sonntag von einem Übernachtjob nach Hause gekommen, wo er auf sie gewartet hatte. Frisch geduscht und rasiert, sehr blass und sehr zerknirscht. Er hatte seltsam zerbrechlich gewirkt.
„Ich habe mich gestern betrunken“, hatte er zugegeben, und dann war die ganze Geschichte aus ihm herausgeplatzt. Der neue Nachbar. Der Country Club. Julians Rolle … Gott. Julian. Welche fürchterliche, großartige Ironie, dass ausgerechnet er da gewesen war und die Rolle des Retters gespielt hatte.
Später an diesem Sonntag, als Charlie aus dem Zeltlager zurückgekommen war, hatte Logan ihn mit in den Garten genommen, wo sie gemeinsam Fußball gespielt hatten. Als sie wieder reingekommen waren, hatte Charlie gedankenverloren und still gewirkt. Er hatte nichts gesagt, bis jetzt, mit seiner Bemerkung darüber, dass Logan auf einem Treffen war.
„Ich hoffe, dass es für dich in Ordnung ist“, sagte Daisy. „Ich meine, dass dein Vater zu diesen Treffen geht.“
Er zuckte mit den Schultern. „Das hilft ihm, damit er keinen Alkohol trinkt.“
„Genau.“ Sie parkte in der Nähe des Haupthauses. Es gab ausreichend Platz, weil das Resort an diesem Wochenende für die Öffentlichkeit geschlossen war.
„Willst du ihm eine SMS schicken?“ Sie hielt ihm ihr Handy hin.
„Nö. Er weiß, wo er mich finden kann.“ Charlie hatte die Gruppe entdeckt, die sich vor dem Haupthaus versammelt hatte, und seine Augen glänzten vor Begeisterung. Er stürzte aus dem Auto und machte sich auf die Suche nach den anderen Kindern, die schon unten am See zusammen spielten. Vier Generationen von Bellamys waren anwesend, von Daisys Großvater Charles, dem Patriarchen, bis zum jüngsten Säugling, dem zweiten Kind von Jenny und Rourke McKnight.
Daisy ging ins Haupthaus hinein, um die von weit her angereisten und die weniger weit entfernt lebenden Verwandten zu begrüßen. Sie war besonders angetan von einer Cousine zweiten Grades, die sie noch nicht so lange kannte: Ivy Bellamy, die als Künstlerin in Santa Barbara arbeitete. Oberflächlich betrachtet hatten sie nicht viel gemeinsam, aber Daisy hatte das seltsame Gefühl, dass Ivy genau der Mensch war, der sie ebenfalls geworden wäre, hätte sie in der Vergangenheit andere Entscheidungen getroffen. Ivy war Single, kinderlos, mit jeder Faser ihres Seins Künstlerin und auf fröhliche Art vollkommen sorglos. Sie lebte am Strand in Südkalifornien und schien ein Mensch zu sein, der aus jedem Tag das meiste herausholte. Eine Eigenschaft, von der Daisy sich wünschte, sie auch mehr ausleben zu können.
„Willkommen zurück“, sagte sie zu Ivy. „Ich hatte gehofft, dass du kommen würdest.“
„Ich würde es um nichts in der Welt verpassen.“ Ivy schaute aus dem Fenster über den See. „Ich liebe es hier. Aber es ist auch immer ein wenig wehmütig, hierherzukommen. Ich vermisse meinen Granddad dann so sehr. Aber andererseits fühle ich mich ihm hier auch näher als an jedem anderen Ort.“
Ivys Großvater war George Bellamy, der seine letzten Tage hier am Willow Lake verbracht hatte, in einer Hütte, die Summer Hideaway genannt wurde. Daisy löste sich von dem Gedanken, einen Großelternteil oder sonst jemanden zu verlieren. „Das tut mir leid“, sagte sie. „Kommst du damit klar?“
„Vielleicht nach ein paar Tequilas.
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