Zerrissenes Herz (German Edition)
bedenklich, Kleiner.“
An einem heißen Nachmittag kam Charlie mit dem Bus von der Schule. Der Indian Summer zeigte sich noch einmal in all seiner Pracht, bevor die Kälte und Dunkelheit des Winters hereinbrechen würden. Wie üblich wurde Charlie von einer ekstatischen Blake begrüßt, die sich benahm, als hätte sie ihn Jahre nicht gesehen. Sie tobten gemeinsam über den Wohnzimmerteppich, wobei Blake ihm feuchte Küsse gab und Charlie laut kicherte. Das war ihr tägliches Ritual. Daisy sicherte ihre Arbeit am Computer und ging, um ihren Sohn zu begrüßen.
„Hey, Großer.“ Sie zerzauste ihm das Haar und nahm seinen Rucksack. „Wie war dein Tag?“
Er schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: „Da ist ein Brief von meiner Lehrerin.“
Sie verspürte ein Ziehen im Magen. Ein Brief von der Lehrerin bedeutete nie Gutes. „Hier drin?“ Sie zeigte auf den Rucksack.
Er nickte und zog Blake auf den Schoß.
Sie fand den Brief und nahm ihn aus dem Umschlag, auf dem stand: „Bitte mit Datum und Unterschrift zurück als Zeichen der Kenntnisnahme“.
„Liebe Ms Bellamy“, las sie laut vor. „Ich schreibe Ihnen, um Sie über den neuesten Stand von Charlies Verhalten und schulischen Fortschritten zu informieren …“
Großartig, sie fand, dass er sich verbessert hatte.
„Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir in beidem eine große Verbesserung feststellen konnten.“ Bei diesen Worten brach Daisys Stimme ein wenig.
Charlie schenkte ihr ein breites Lächeln. „Lies weiter!“
Das tat sie, und ihr Herz füllte sich mit Erleichterung und Stolz, da die Lehrerin Beispiele für diese Verbesserungen aufzählte. „Ich freue mich über die Fortschritte, die Charlie gemacht hat. Und ich danke Ihnen und Charlie für die Mühe, die Sie sich beide gegeben haben“, schloss Daisy.
Strahlend lächelte sie Charlie an und heftete den Brief dann mit einem Magneten an die Kühlschranktür. „Super, Charlie, ich bin stolz auf dich. Komm her, lass dich umarmen!“ Sie drückte ihn an sich – nicht zu lange, immerhin war er ein Junge – und genoss es, seine Körperwärme zu spüren, atmete seinen Duft ein, diese Mischung aus frischer Luft, Hund und kindlichem Schweiß.
Das Schlimmste daran, Single zu sein, war das Fehlen jeglichen Körperkontakts. Dass jemand fehlte, den man einfach mal in den Arm nehmen konnte. Sie war Charlie für vieles dankbar, und vielleicht stand ihn zu berühren ganz oben auf der Liste.
Beim kleinsten Anzeichen von Ungeduld ließ sie ihn los. „Das müssen wir feiern. Du kannst dir für heute Abend etwas zu essen wünschen. Oder wir können irgendwo essen gehen. Das entscheidest du ganz allein.“
„Ja“, antwortete er grinsend. „Und du weißt, dass ich zu Hause bleiben will.“
„Lass mich raten. Du willst Frühstück zum Abendbrot.“
„Frühstück zum Abendbrot! Pfannkuchen, Rühreier, Speck und Saft.“ Er rannte durchs Zimmer, als hätte er den Jackpot geknackt. Dann stürmte er mit dem Hund zur Hintertür hinaus.
Daisy stand am Küchenfenster und sah ihnen beim Spielen zu. Sie hörte Charlies Lachen und das freudige Bellen des Hundes. Die beiden waren unzertrennlich. Manchmal wünschte Daisy, Charlie hätte Geschwister. Eines Tages vielleicht, aber darüber würde sie jetzt nicht nachdenken.
Ihre Laune war fantastisch; Daisy merkte, dass es ihr endlich besser ging. Sie hatte die Scheidung überlebt, die Welt war nicht untergegangen.
Logan schien es auch besser zu gehen. Er sah gut aus und hattedie Extrapfunde abgenommen, die er während der Ehe zugelegt hatte. Was auch immer er dafür tat, es schien zu wirken.
Was sie anging, umgab sie sich mit Freunden und Familie und vergrub sich förmlich in Arbeit. Sie wachte nicht mehr jeden Morgen mit Magenschmerzen und tausend unbeantworteten Fragen auf.
In letzter Zeit fühlte sie sich wesentlich entspannter, und die Fragen in ihr verstummten nach und nach. Sie hatte immer noch keine Antwort auf die wirklich schwierigen Fragen wie „Tue ich das Richtige?“ und „Ist das hier wirklich das Beste für Charlie?“, aber sie war zu der Erkenntnis gelangt, dass es darauf keine richtigen oder falschen Antworten gab. Mit gewissem Abstand hatte Daisy verstanden, was in ihrer Ehe schiefgegangen war – und wie Charlie darauf reagiert hatte. Jetzt bekam ihr Sohn wieder mehr Aufmerksamkeit von beiden Elternteilen und blühte förmlich auf.
Diese ganze Tortur – das Leben – hatte sie gelehrt, dass man eben die Entscheidungen
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