Zerrissenes Herz (German Edition)
halten und rutschte die steile Seite des Dachs hinunter. Es war wie in einem Albtraum. Daisy öffnete die Lippen zu einem stummen Schrei und schlug sich dann beide Hände vor den Mund. Ein Teil von ihr verstand, dass es ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt wäre, um Charlie aufzuwecken– gerade in dem Moment, in dem sein Vater zu Tode stürzte.
Logan packte den Dachvorsprung und versuchte, sich an der Regenrinne festzuhalten, aber das alte Metall gab nach und brach. Hilflos rutschte er über die Kante und fiel wie ein Postsack in einen alten Rhododendronbusch.
Daisy sprang aus dem Auto und rannte zu ihm. Er lag regungslos neben dem Busch. Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht kalkweiß.
Ein unwirkliches Gefühl überkam sie. Nein . So etwas passierte nicht. So etwas sollte nicht passieren. Er sah tot aus. Er war tot. Einfach so.
Sie konnte nicht atmen. Sie fiel neben ihm auf die Knie. „Logan, nein“, sagte sie. „Bitte.“
Ein fürchterliches Geräusch entrang sich seiner Brust, als er Atem holte. „Bitte was?“ Seine Lider öffneten sich flatternd. Er stöhnte.
Daisy weinte noch mehr, jetzt aber vor Freude. „Geht es dir gut? Ich dachte, du wärst tot.“
„Hey, ich dachte, ich wäre tot. Hat mir komplett die Luft aus den Lungen gepresst.“
„Soll ich den Notarzt rufen?“
Er stützte sich auf die Arme zum Sitzen und zupfte sich einen Rhododendronzweig aus dem Haar. „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber der Notfall ist vorbei.“ Er bewegte seinen Kopf von einer Seite zur anderen. „Kein gebrochenes Genick. Alle Extremitäten intakt.“
Eine dünne, dunkelrote Schramme zog sich über seine Wange, und er blutete an der Hand.
„Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“
„Ja, es geht schon, ich schwöre.“ Er wischte sich die Hand am Hemd ab.
„Du solltest nicht ganz allein auf dem Dach arbeiten. Hättest du nicht jemanden anrufen können, der dir hilft?“
„Jetzt klingst du wie meine Mutter.“
„Tut mir leid.“
Er schenkte ihr ein schiefes Grinsen. „Vielleicht hat mir der Sturz den silbernen Löffel aus dem Mund geschlagen. Hilf mir mal hoch!“
Sie zog ihn auf die Füße und schaute ihm dann in die Augen, um sicherzugehen, dass die Pupillen gleich groß waren. „Hast du dir den Kopf angeschlagen?“
„Nein. Ich bin auf den Hintern gefallen.“ Er legte ihr einen Arm um die Schultern. Er roch nach Schweiß und frischem Laub. „Ich sollte mich aber auf dich stützen, nur für den Fall, du weißt schon. Wo ist überhaupt mein Sohn?“
„Der schläft im Auto.“
„Ich habe Pläne fürs Wochenende. Meine Fußballmannschaft hat ein wichtiges Spiel.“
Sie schenkte ihm einen weiteren besorgten Blick. „Du hast dich vielleicht wirklich verletzt.“
Er trat einen Schritt zur Seite und breitete die Arme aus. „Mir geht es gut, okay? Ich bin nur gestürzt …“
„Ja, vom Dach eines zweigeschossigen Hauses.“
„… und habe es überlebt, um davon zu berichten“, fuhr er unbeirrt fort. „Hör auf, dir Sorgen zu machen. Mit Charlie und mir wird alles gut laufen. Sehr gut sogar.“
„Was hast du überhaupt da oben gemacht?“
„Ich habe ein paar lose Schindeln befestigt, wie es ein guter Heimwerker eben so macht.“
„Tu mir einen Gefallen: keine Leitern und keine Dachreparaturen, solange du dich um Charlie kümmerst!“
Logan hob eine Hand. „Indianerehrenwort.“ Er beugte sich ins Auto, löste den Gurt von Charlies Kindersitz und holte ihn heraus. Charlie zuckte kurz, wachte aber nicht auf, sodass Logan den gesamten Sitz mit Kind ins Haus tragen konnte. Daisy folgte ihm, die Cliffordtasche und das Übernachtungsköfferchen in Händen.
„Ich könnte Sonnet anrufen“, schlug sie vor. Ihre Stiefschwester war Charlies liebste Babysitterin. Nachdem sie ihr Studiumund ihre Praktika in Deutschland beendet hatte, war Sonnet für ein paar Monate zurück in Avalon. Im Herbst würde sie anfangen, für die UN zu arbeiten. „Meine Eltern könnten sicher auch aushelfen …“
„Jetzt hör auf, okay? Ich bin sehr wohl in der Lage, mich um mein Kind zu kümmern.“ Er sprach zwar leise, doch der scharfe Unterton war nicht zu überhören. Wegen seiner Vergangenheit als Drogenabhängiger und Alkoholiker neigten die Leute dazu, auf Zehenspitzen um ihn herumzuschleichen oder anzunehmen, dass er mit Charlies Betreuung überfordert war. Schon allein bei der Andeutung, dass er Hilfe brauchen könnte, schrillten bei ihm alle Alarmglocken.
„Ich weiß,
Weitere Kostenlose Bücher