Zerrissenes Herz (German Edition)
New York. Wir waren nicht mal zusammen oder so. Wir haben uns an einem Wochenende betrunken und … Oh, Julian …“
Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Das war nicht das Gespräch, das er sich vorgestellt hatte, als er den Hörer abgehoben hatte. „Ich schätze … Wow, ich hoffe, dir geht es gut.“
„Ich habe so ziemlich alles in meinem Leben geändert. Ich habe es meinen Eltern erzählt. Sie waren auch erst schockiert, aber dann haben sie mir versichert, dass wir das schon irgendwie hinkriegen.“
„Das werdet ihr auch.“ Er hatte keine Ahnung, ob das stimmte.
„Julian, es tut mir so leid.“
„Du musst dich nicht entschuldigen.“
„Ich fühle mich fürchterlich.“
Er sich auch. „Hey, es ist, wie es ist.“
„Ich würde es dir nicht verübeln, wenn du mich jetzt nie mehr wiedersehen willst.“
„Ich will dich aber wiedersehen.“
Ihr erleichtertes Seufzen drang durch den Hörer. „Ich will dich auch immer noch sehen.“
„Das werden wir dann wohl auf der Hochzeit.“
„Stimmt. So … genug von mir.“ Sie lachte kurz auf. „Wie geht es dir?“
Es fühlte sich nicht richtig an, ihr jetzt mitzuteilen, was es Neues bei ihm gab. Das Gespräch hatte ihn all seiner Energien beraubt. Er konnte an nichts anderes denken als daran, dass sie schwanger war … und daran, was sie getan hatte, wodurch sie schwanger geworden war.
„Bei mir ist alles gut.“
„Gut. Julian?“
„Was?“
„Ich vermisse dich.“
„Ja, ich dich auch“, sagte er, obwohl er nicht genau wusste, was er vermisste.
4. KAPITEL
H ey, Kumpel“, sagte Daisy und hockte sich auf den Rand von Charlies Sandkiste. „Rate mal, was du heute machst!“
Ihr Sohn schaute lächelnd zu ihr auf; seine grünen Augen funkelten auf eine Weise, die sie immer wieder tief berührte. „Was?“
„Du wirst heute bei Daddy schlafen.“
„Okay.“
„Klingt das nach Spaß?“
„Ja.“ Er konzentrierte sich wieder auf den Graben, den er in den Sand grub.
Das Licht der Nachmittagssonne fiel durch die jungen Blätter der Bäume und tanzte auf seinem feuerroten Haar. „Dumme Frage“, erwiderte sie und schob einen Truck über eine der Straßen, die er in den Sand gebaut hatte. „Mit deinem Vater zusammen hast du immer Spaß, nicht?“
„Ja.“ Er füllte einen Kipplaster mit Sand. Die Sandkiste im Garten war ein Geschenk von seinen O’Donnell-Großeltern zum dritten Geburtstag gewesen. Charlie liebte sie. Sein Großvater O’Donnell behauptete, das lag daran, dass Verschiffung und Transport – das Geschäft der O’Donnells – ihm im Blut lagen, genau wie das rote Haar und die grünen Augen.
Er sah Logan so ähnlich, dass Daisy sich manchmal fragte, was ihr Sohn von ihr geerbt hatte. Charlie anzusehen war wie durch ein umgedrehtes Fernglas durch die Zeit zu schauen und Logan als Kind zu sehen. Ehe sie sich versah, würde Charlie in den Kindergarten gehen; dann wäre er genauso alt wie Logan, als er und Daisy sich kennengelernt hatten. Das war ein seltsamer Gedanke.
Logans Mutter Marian liebte es, Daisy Bilder von Logan zu zeigen, als er in Charlies Alter gewesen war. „Es ist schon beinahe unheimlich“, sagte sie dann immer. „Die beiden könnten Zwillinge sein. Logan war immer so ein fröhliches Kind“, fügte Mrs O’Donnell dann meist noch hinzu.
Ein glückliches Kind, das sich mit achtzehn Jahren fast das Lebenruiniert hatte. Daisy nahm an, dass Logan unter enormem Druck durch seine Eltern aufgewachsen war. Er war von vier Kindern der einzige Junge, und seine Familie war sehr auf Traditionen bedacht. An ihn waren hohe Ansprüche gestellt worden. In der Schule und im Sport waren überragende Leistungen von ihm erwartet worden, und dem hatte er auch gerecht werden können. Er und Daisy waren auf die gleiche strenge Privatschule in Manhattan gegangen, wo sie ihn mit einem Funkeln in den Augen durch die Flure hatte stolzieren sehen. Er stammte aus einer privilegierten Familie und war dazu erzogen worden, die Tradition fortzuführen. Dazu gehörten der Besuch eines erstklassigen Colleges oder zumindest des Boston Colleges, die Alma Mater seines Vaters, und dann eine Position in der international tätigen Reederei der Familie.
Daisy schlang sich die Arme um die Knie und beobachtete Charlie, der ganz in sein Spiel versunken war. Warum belasteten Eltern ihre Kinder mit ihren Erwartungen, anstatt das Kind zu dem Menschen werden zu lassen, der es werden wollte? Wussten sie nicht, dass sie Kinder damit nur dazu
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