Zersetzt - Thriller (German Edition)
Gesicht.
»Hallo, Frau Hoven, geht es wieder?« Julia sah in die Augen von Dr. Robert Bach.
»Ich war wie jeden Morgen joggen und habe Ihre Schreie gehört. Sie sind im Elisabethen-Krankenhaus, haben eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde am Hinterkopf, die wir mit einigen Stichen nähen mussten. Die Polizei wartet auf dem Flur, um Sie zu befragen.« Julia war verwirrt. Sie konnte sich an nichts erinnern. Dr. Bach schien auch ohne Antwort zu verstehen.
»Schlafen Sie sich erst mal aus, Sie brauchen Ruhe. Ich schicke die Polizei wieder weg.«
Julias Gedanken hatten den Schleudergang einer Waschmaschine erreicht, ihr Kopf dröhnte und drohte zu platzen. Sie gab der Schwere ihrer Lider nach.
***
Julia ließ einen großen Schluck des edlen Rotweins ihre Kehle hinabgleiten, räusperte sich und sank wieder zurück in die bequemen Sofakissen.
»Danke, das habe ich außer meiner Psychologin noch keinem Menschen so ausführlich erzählen können.« Robert war ein geduldiger Zuhörer, das bewies er schon bei seinen täglichen Krankenbesuchen. Er war charmant und einfühlsam, brachte Julia Blumen und süße Leckereien mit. Schon nach kurzer Zeit spürte sie eine gewisse Verbundenheit. Sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart, und die längst vergessene Flamme des Verliebtseins loderte wieder auf. Und jetzt, nachdem Julia endlich seiner Einladung gefolgt war, saß sie nach einem feudalen Abendessen, das er selbst für sie zubereitet hatte, in seinem Wohnzimmer. Robert erhob sich aus seinem Sessel, setzte sich neben Julia auf die Couch und legte seinen Arm um ihre Schulter.
»Du hast schon einiges mitgemacht. Jetzt stehst du wieder unter Stress mit deinen Recherchen. Dann der Überfall und die daraus resultierende Gehirnerschütterung, die noch nicht ausgeheilt ist. Du brauchst dringend Ruhe, und die verordne ich dir jetzt«, zwinkerte er ihr zu. Robert nahm die Weinflasche und berührte Julias Hand, als er die Gläser nachschenkte. Nervös griff sie nach dem Rotweinglas. Er sah tief in ihre schimmernden Augen. Einige Sekunden verharrten sie schweigend. Julia hatte das Gefühl, dass sein Blick hinabstieg und ihre Seele berührte. Robert rutschte ein kleines Stück näher, streichelte über ihren Arm, strich die lange Haarsträhne zur Seite und ertastete ihren Nacken. Sie stellte das Glas auf den Wohnzimmertisch und genoss seine zärtlichen Berührungen. Als er sich langsam ihrem Hals näherte und sie seinen heißen Atem spüren konnte, kroch der Duft von Moschus, Tabak und Zedernholz, die die Basisnote seines Parfüms ausmachten, in ihre Nase. Er küsste jeden Millimeter ihrer Haut auf seinem Weg vom Hals bis zu den Ohrläppchen. Als sich die kleinen, feinen Härchen an ihren Wangen begegneten, war nur ein Hauch von Berührung zu spüren. Julia kostete den Moment aus, in dem sich ihre Lippen trafen. Nach einem langen hingebungsvollen Kuss nahm er ihre Hand und führte Julia ins Schlafzimmer. Sie legten sich auf das große Bett. Die Küsse wurden leidenschaftlicher und sie spürte seine Hände, die jeden Partikel ihrer Hautoberfläche erforschten. Sie blendete alles aus, ließ sich fallen und gab sich ihren immer mächtiger werdenden Gefühle hin.
Robert, ein Mann wie aus dem Bilderbuch. Durchtrainierter, gebräunter Körper mit einem Hauch von Sixpack. Breite Schultern, die zum Anlehnen wie geschaffen sind. Hände sanft wie Seide. Von Beruf Arzt – der ideale Schwiegersohn . Das imaginäre Teufelchen auf Julias Schulter flüsterte unentwegt »Es gibt keine perfekten Menschen, schon gar keinen perfekten Mann. Da ist ein Haken, du siehst ihn nur noch nicht.« Doch der Gegenspieler auf der anderen Schulter machte sich auch bemerkbar: »So ein Quatsch, sei froh und genieße es!«
Julias Gedanken nach dem Aufwachen wurden von einer realen Stimme unterbrochen:
»Guten Morgen, mein Schatz, hast du gut geschlafen?«
Sie räkelte sich und strahlte Robert entgegen.
»Guten Morgen, ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen.«
Robert öffnete den großen sechstürigen Kleiderschrank und zog ein blaues Shirt heraus.
»Ich mache uns mal ein schönes Frühstück.« Nach einem langen Kuss verschwand Robert in der Küche.
Die Villa war mit den modernsten, italienischen Designermöbeln eingerichtet. Bilder von bekannten Malern aus der Künstlerszene Berlins. Skulpturen, bei denen man auch nach mehrmaligem Hinsehen nicht herausfinden konnte, was der Künstler damit aussagen wollte. Ein durchgestyltes
Weitere Kostenlose Bücher